Der ungarische Mourinho: Zum Todestag von Béla Guttmann
“The Special One”. So hat sich einst José Mourinho selbst bezeichnet. Doch diese Beschreibung hätte ebenso gut auf Béla Guttmann zugetroffen. Der Ungar, der 1899 in Budapest geboren wurde und am 28. August 1981 in Wien verstarb, war Zauberfuß, Enfant Terrible, Weltenbummler und Erfolgstrainer zugleich. Wenige Akteure haben ihren Mannschaften wohl so sehr den Stempel aufgedrückt wie Guttmann.
Ausnahmespieler mit kurzer Nationalmannschaftskarriere
Der Ungar war bereits in jungen Jahren Mittelfeldmotor bei seinem damaligen Klub MTK Budapest, wechselte aber 1922 zum jüdischen Klub Hakoah Wien. Mit diesem Team gelang Guttmann ein 5:0-Kantersieg gegen West Ham United und damit der erste Erfolg einer kontinental-europäischen Mannschaft gegen ein Team auf der Insel überhaupt. Später wechselte Guttmann noch nach New York, wo er sich neben dem Fußballspielen auch als Barbesitzer einen Namen machte (Günther Netzer lässt grüßen!).
Dank seines Ausnahmetalents wurde er alsbald in die Nationalmannschaft berufen. Doch seine dortige Karriere nahm ein jähes Ende, noch bevor sie richtig begann. Denn Guttmann hatte sich mit den Fußballfunktionären seines Landes überworfen: um gegen die schlechte Unterbringung des Teams bei den Olympischen Spielen in Paris 1924 zu protestieren, überredete er seine Mannschaftskameraden, die Ratten in ihren Hotelzimmern zu fangen. Diese nagelte er dann an die Zimmertüren aller mitgereisten ungarischen Funktionäre, die im Gegensatz zur Mannschaft in Luxusherbergen untergebracht waren.
Diese Geschichte zeigt bereits, wie streitfreudig Béla Guttmann sein konnte, wenn er sich um sein Recht betrogen fühlte. Dies sollte er im Laufe seiner Karriere noch einige Male empfinden. So auch bei zwei zentralen Stationen seiner langen Trainerkarriere.
Gefeuert als Trainer vom AC Mailand
Beim AC Mailand führte er die Mannschaft 1955 schon früh auf den ersten Tabellenplatz der Serie A und wurde dennoch vom Vorstand entlassen – offensichtlich wegen eines Zerwürfnisses mit der Klubführung. Anschließend polterte er in der italienischen Presse los, er sei “weder kriminell noch homosexuell” (Homosexualität stand in den 50er Jahren in vielen Ländern tatsächlich noch unter Strafe) und hätte sich auch sonst nichts zu schulden kommen lassen, aber man habe ihn trotzdem vor die Tür gesetzt. Ein für die Zeit einmaliges Vorgehen, hatten Trainer damals doch kein Standing und wurden von der Öffentlichkeit im Gegensatz zu den Spielern kaum wahrgenommen.
Der Guttmann-Fluch gegen Benfica
Benfic Lissabon trainierte Guttmann zwischen 1959 und 1962 und formte das portugiesische Team zum besten in Europa. Er gilt als Entdecker Eusébios. 1961 und 1962 holte er mit Benfica den europäischen Landesmeisterpokal. Im zweiten Finale deklassierte Guttmanns Elf Real Madrid mit 5:3 – und dennoch trat der Ungar nach dem Erfolg zurück. Angeblich hatte ihm die Klubführung Prämienzahlungen versprochen. Als die nicht kamen, schmiss der Trainer hin. Nicht jedoch, ohne auch in dieser Situation einen lauten Abgang zu wählen. Verbittert ließ er seinen Ex-Klub wissen:
“Ihr werdet nie wieder ein Europapokal-Finale gewinnen – nicht in 100 Jahren!”
Béla Guttmann nach seinem Abgang als Trainer über seinen Ex-Klub Benfica Lissabon
Diese Aussage Guttmanns ist heute als “Guttmann-Fluch” bekannt. Denn tatsächlich stand Benfica seitdem in nicht weniger als acht europäischen Finals, ohne jedoch eins davon zu gewinnen.
Globetrotter und Fußballvisionär
Doch neben seiner extravaganten Art war Béla Guttmann auch ein Botschafter des modernen Fußballs. Geprägt durch den schnellen, technisch starken Spielstil Ungarns zu jener Zeit, brachte er diesen Einfluss in all seine 25 Vereine seiner Trainerlaufbahn ein. Und das mit immensen Erfolg: er modernisierte nicht nur den Spielstil europäischer Top-Klubs wie Milan, Benfica oder Porto, sondern brachte das ungarische System sogar bis Brasilien. Als Trainer des FC São Paulo (1957-1958) exportierte er Kurzpasspiel und Pressing in das südamerikanische Land. Damit legte er den Grundstein, für die erfolgreichsten Jahre des brasilianischen Fußballs, die im Gewinn der Weltmeisterschaften 1958 und 1962 mündeten.
Botschafter des schönen Fußballs
Béla Guttmann war mit seiner aneckenden Art der frühe Vorgänger von Lautsprecher-Trainern wir José Mourinho. Dies alleine bot in den 50er und 60er Jahren schon genug Aufmerksamkeitspotenzial. Doch einzigartig macht ihn der große Einfluss, den sein Wirken als Trainer weltweit hatte. Er prägte alle seine Mannschaften mit seiner modernen Spielidee und verhalf ihnen zu beachtlichen Erfolgen. Durch ihn wurde der ungarische Fußball in die ganze Welt exportiert, die bis dahin nur Kick & Rush kannte.
Wer noch mehr von Béla Guttmann wissen möchte, dem seien folgende Tipps empfohlen:
- Unsere Stehplatzhelden-Rezension des Buchs von Detlev Claussen “Béla Guttmann. Weltgeschichte des Fußballs in einer Person”
- Der Podcast “Zeitzeichen” von NDR Info mit einem 15-minütigen Portrait Guttmanns
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