Martin Kind & Ferdinand Piëch: Zwei Patriarchen, ähnliche Probleme

Tim 24. April 2015

Sie wären nicht nur ein gutes Tandem für die beliebte 11Freunde-Rubrik “Bei der Geburt getrennt”. Sie ähneln sich auch in ihrer Denkweise und stehen vor dem gleiche Problem: der Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Die Rede ist von Ferdinand Piëch und Martin Kind.

Martin Kind & Ferdinand Piëch

Bei der Geburt getrennt: Martin Kind (Hannover 96) und Ferdinand Piëch (VW)

Piëch und Kind – Wirtschaftslenker mit Erfolg

Auf der einen Seite der mächtige VW-Lenker Ferdinand Piëch. 1993 wurde er Vorstandsvorsitzender des Wolfsburger Konzerns, der damals tief in den roten Zahlen steckte und 2 Mrd. DM Verluste pro Jahr erwirtschaftete. Piëch schaffte es, VW zurück in die Erfolgsspur zu führen und das Unternehmen gelang unter seiner Leitung zu neuer Stärke. Auf der anderen Seite der Self-Made-Mann Martin Kind, der den kleinen elterlichen Hörgerätebetrieb zum europäischen Marktführer formte. 1997 übernahm der Niedersachse das Präsidentenamt bei Hannover 96. Der Klub stand damals am Rande der Insolvenz. Doch Kind schaffte es, den Verein wirtschaftlich zu stabilisieren und ebnete damit den Weg für den sportlichen Erfolg: 2002 stieg 96 nach dem Abstieg 1989 erstmals wieder in die Bundesliga auf.

Brüder im Geister in puncto Markenbewusstsein

Piëch und Kind eint ihr ausgeprägtes Markenbewusstsein. Nachdem Piëch zunächst in seiner Zeit als Audi-Vorstand in den 1980er Jahren der angestaubten Marke ein neues Image verpasste, blieb er auch bei VW seiner Linie treu und feilte kontinuierlich an dessen Produktportfolio und Markenbild.

Ferdinand Piech auf der Volkswagen-Hauptversammlung

Ferdinand Piech auf der Volkswagen-Hauptversammlung

Kind hingegen wird nicht müde, im Zusammenhang von Fußballklubs im Allgemeinen und Hannover 96 im Speziellen von Marken zu sprechen. “Die Marke Hannover 96 weiterzuentwickeln” gehört zu seinen erklärten Zielen. Seine Rhetorik diesbezüglich bringt ihm nicht nur Zustimmung in der Fanszene.

Keine Nachfolger bei Hannover 96 und VW in Sicht

Neben ihrer ähnlichen Denkweise haben die beiden Patriarchen eine weitere Gemeinsamkeit: die von Höhen und Tiefen begleitete Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Nachdem der VW-Vordenker 2003 vom Posten des Vorstandsvorsitzenden in den Vorsitz des Aufsichtsrats des Automobilherstellers wechselte, installierte er zunächst Bernd Pischetsrieder als seinen Nachfolger. An dessen Demission 2006 hatte Piëch jedoch entscheidenden Anteil. 2007 hiefte Piëch seinen “Ziehsohn” Martin Winterkorn in den Chefsessel von VW und es schien, als wäre dieser prädestiniert dafür, in die großen Fußstapfen Ferdinand Piëchs zu treten und dessen Erbe fortzuführen. Um so überraschender der kürzlich öffentlich gemachte Bruch mit Winterkorn. Beobachter gehen davon aus, dass Piëch in ihm nicht mehr den Konzernlenker der Zukunft sah. Mit dessen öffentlicher Entmachtung steht der 78-Jährige nun wieder vor dem Problem, einen geeigneten Nachfolger zu finden, dem er zutraut, die Zügel zu übernehmen.

Martin Kind von Hannover 96

Vorstandsvorsitzender Martin Kind im Stadion von Hannover 96

Auch “der letzte Patriarch der Bundesliga”(FAZ) sieht sich mit einer komplizierten Nachfolgersuche konfrontiert. Als Kind 2005 zurücktrat und das Zepter der Vereinsführung an Karl Heinz Vehling und Götz von Fromberg übergab, tat er dies in dem Glauben, die Weichen für eine erfolgversprechende Zukunft gestellt zu haben. Doch weit gefehlt, bereits 2006 trat das neue Führungsduo nach Querelen mit dem Aufsichtsrat zurück und Kind übernahm erneut den Vereinsvorsitz. Mit Jörg Schmadke holte Kind 2009 einen Sportdirektor, in dem er einen würdigen Nachfolger sah, weshalb er ihn frühzeitig zum Geschäftsführer Sport beförderte. Schmadke und der damalige Trainer Slomka rieben sich jedoch aneinander auf, so dass Schmadke 2013 das Handtuch warf. Seitdem steht auch Kind erneut vor dem ungelösten Problem, wer im stark von ihm geprägten Club in seine Fußstapfen treten könnte. Erst recht, seitdem er letztes Jahr angekündigt hat, sich am Ende der Saison 2017/2018 endgültig aus dem operativen Geschäft in den Aufsichtsrat zurückziehen zu wollen.

Die Geister, die sie riefen

So sehen sich die beiden Alphatiere Piëch und Kind mit der gleichen Herausforderung konfrontiert, ihr wirtschaftliches bzw. sportliches Erbe in geeignete Hände zu übergeben. Im Weg stehen Ihnen dabei extrem stark auf sie zugeschnittene Organisations- und Entscheidungsstrukturen, die sie selber aufgebaut und geprägt haben. Sowohl für VW und seine Mitarbeiter als auch für Hannover 96 und seine Fans bleibt zu hoffen, dass die beiden Patriarchen die Geister, die sie riefen, bezwingen und für ihre “Marken” den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen können.