Hooligan-Konkordat: Der Staat sperrt in der Schweiz erstmals Gästefans aus

Thomas 26. April 2015
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Aarau ist ein beschauliches Schweizer Städtchen irgendwo im Nirgendwo zwischen Zürich, Basel und Bern. Auch der hiesige Fussballverein, der FCA, hat durchaus Charme und eine lange Tradition. Hier hatte 1985 ein gewisser Ottmar Hitzfeld als Trainernovize mit dem Schweizer Cupsieg seinen ersten grossen Erfolg gefeiert. Die Heimstätte des FC Aarau, das Brügglifeld, fällt zwar bald auseinander. Es gilt jedoch unter Fussballromantikern gerade deswegen als reizvolles Reiseziel.
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An diesem Wochenende waren beim Spiel FC Aarau – FC Zürich Gäste unerwünscht. Diese Entscheidung ist aus mancherlei Perspektiven spektakulär: Zum einen hat die Polizeibehörde des Kantons Aargau eigenmächtig darüber bestimmt, dass diese Massnahme umgesetzt wird. Die betroffenen Vereine und die Fussball-Liga wurden knapp 48 Stunden vorher lediglich darüber informiert und waren ziemlich überrascht. Besonders den bereits finanziell gebeutelten FC Aarau wird es wirtschaftlich hart treffen. Zum anderen ist auch die kurze Frist vor dem Spiel sehr kritisch einzustufen. Es wurde befürchtet, dass als Folge bzw. Gegenreaktion dieser Entscheidung noch mehr Zürcher Randalierer und Störer nach Aarau reisen werden. Glücklicherweise kam es aber nicht zu Ausschreitungen. Die FCZ-Südkurve hatte mit dem Aufruf „Kollektives Handeln gegen kollektive Strafen“ zwar für zusätzliche Anspannung gesorgt. Laut dem Bericht des Tages-Anzeigers kam es nicht zu Ausschreitungen, sondern “lediglich” zu zahlreichen Festnahmen, denn die Polizei vor Ort griff rigoros durch.
Dass  bestimmte Fan-Gruppen von Fussball-Spielen ausgeschlossen oder gar Geistesspiele durchgeführt werden, das ist eine Entwicklung, die vor rund 15 Jahren eingesetzt und sich mittlerweile im Liga-Alltag in ganz Europa etabliert hat. Auch in der Bundesliga musste an diesem Wochenende der FC Köln einen Teil seines Stehplatzbereichs schliessen. Doch ein wichtiger Unterschied liegt bei diesen Eingriffen vor. Es sind nämlich die Spielveranstalter oder die Verbände, die üblicherweise diese Massnahmen als beliebte Druckmittel gegenüber den Vereinen einsetzen.
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In der Schweiz dagegen hat nun erstmals der Staat direkt vor einem riskant eingestuften Spiel eingeschritten und eine Vorsorge getroffen. Die rechtliche Grundlage dieser Massnahme ist das sogenannte Hooligan-Konkordat. Über dieses rechtliche Konstrukt haben wir auch schon berichtet. Es räumt den Behörden  verschärften Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen ein. Da die Sicherheit und das Polizeiwesen in der Schweiz föderalistisch in den Kantonen angesiedelt ist, koordinieren sich die unterschiedlichen Kantone über ein interkantonales Konkordat – im Falle des Hooligan-Konkordats haben sich 15 der 26 Kantone angeschlossen.
Ein an sich unbedeutsames Spiel an einem unbedeutsamen Samstag hat daher eine besondere Symbolik erhalten: Mehr und mehr greift der Staat direkt bei Sportveranstaltungen ein und bestraft damit auch die Mehrheit der Zuschauer, nämlich friedfertige Fans und kultivierte Fussballbegeisterte. Ein Stück Fussballkultur ist in Gefahr! Dieser Umstand ist bedenklich. Überraschend auch, dass praktisch alle Zeitungskommentatoren und auch die Mehrheit der Leserkommentare auf den Nachrichtenportalen die Stossrichtung „mehr Staatseingriffe” unterstützen – und dies in einem so freiheitlichen und demokratischen Land wie der Schweiz. 
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Die Bilder in diesem Beitrag sind nicht aktuell, sondern wurden von früheren Spielen auf dem Brügglifeld aufgenommen. Das Bildmaterial stammt von Ralph Diemer, von dem noch weitere wunderbare Fotos zu finden sind. 
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