Game, Set, Ugly: Jogo Bonito ist nicht nur in Brasilien tot

Flo 6. Juli 2014
federer_djokovic

Es steht nicht gut um das schöne Spiel. Die Selecao rumpelt munter vor sich hin und wird ohne Neymar wahrscheinlich noch ein gutes Stück weniger attraktiv bolzen. Die Albiceleste zeigt Spiel um Spiel, warum pragmatisch ein Schimpfwort sein kann, das spanische El Toque war diesen Sommer eh nur noch ein Tiki-Taka seiner selbst, und die Elftal spielt den untotaalsten Voetbal seit, na gut, machen wir uns nichts vor, 2010.

Selbst die spielerisch noch am ehesten überzeugende deutsche Nationalmannschaft ist vom ästhetischen Gehalt her gesehen ein ganzes Stück weit vom spektakulären Fußball der Jahre 2006 und 2010 entfernt (und wird dadurch Weltmeister, fragen Sie mal Per M.). Auch die in der Vorrunde teilweise munter aufspielenden Underdogs aus Chile, Mexiko, Kolumbien und Costa Rica entdeckten im Moment der Wahrheit (in ihrem Fall: des Ausscheidens) den guten alten Defensivfußball für sich.

Damit scheiterten sie dann in der wahrscheinlich langweiligsten WM-K.O.-Runde seit vier Jahren an individuellen Geistesblitzen der Stars oder irgendwelchen prolligen Einwechseltorhütern aus etablierteren Fußballnationen. Diese langweilten sich, frei nach dem von Ex-Tennisprofi Brad Gilbert in seinem gleichnamigen Buch geprägten Motto “Winning Ugly,” Runde um Runde durchs Turnier und spielen jetzt Platz 1 bis 4 unter sich aus.

A propos Tennis: Für einige Stunden sah es heute so aus, als ob immerhin der weiße Sport einen Gegenbeweis zum Jogo Feio dieser Tage liefern könnte. Der zweifelsohne (sprich: meiner und David Foster Wallaces Meinung nach) eleganteste Spieler seiner Generation, Roger Federer, stand heute kurz davor, im zarten Alter von 32 Jahren doch noch einmal ein Grand Slam-Turnier zu gewinnen. Damit hätte er, vermutlich ein letztes Mal, den Ballmaschinen Djokovic, Nadal und Murray (die besser sind, als ich es ihnen hier zugestehe) zeigen können, wie man mit einem variablen, interessanten und schönen Spiel Turniere gewinnt.

Hätte, hätte, Viererkette, am Ende setzte sich doch Djokovic durch – und liefert damit über Netzkante einen weiteren Beweis dafür, dass das schöne Spiel dieser Tage auf keinem Rasen der Welt mehr gefragt ist. Nicht in Wimbledon, nicht im Maracana, vermutlich noch nicht einmal in Essen-Kray.

R.I.P. Jogo Bonito (1958-2014). Auf eine baldige Wiederauferstehung.