2.Teil des Interviews mit BVB-Marketingchef Carsten Cramer: “Alles weichzuspülen, ist nicht unser Ansatz.”

Tim 19. März 2014
Kabine vom BVB im Westfalenstadion

Letzten Freitag veröffentlichten wir bereits den ersten Teil des exklusiven Interviews mit Carsten Cramer, Marketingchef von Borussia Dortmund. Im Folgenden lest Ihr den zweiten Teil, in dem Carsten Cramer sich zum Verhalten der Spieler auf Facebook & Co äußert und erläutert, wie der BVB den Spagat zwischen Bodenständigkeit und internationaler Bekanntheit meistert.

STEHPLATZHELDEN:  Es gibt rund um den BVB viele Foren wie z.B. schwatzgelb.de, in denen sich die Fans austauschen. Inwieweit beobachtet der Verein dort die Diskussionen oder tauscht sich ggf. mit den Forenbetreibern aus?

CARSTEN CRAMER: Wir gucken dort natürlich rein, mischen uns aber nicht ein. Es muss Kanäle geben, in denen die Fans ihrer Meinung freien Lauf lassen. Die Souveränität unseres Vereins muss es hergeben, dass wir auch dort mit Kritik umgehen können.

Wir sind dort auch nicht mit Fake-Accounts unterwegs, sondern beobachten lediglich die Themen, die diskutiert werden. Denn Foren wie schwatzgelb.de sind für uns Gold wert: sie geben uns ehrliches, ungefiltertes Feedback und zeigen uns auf, was wir als Verein besser machen müssen.

STEHPLATZHELDEN: Das heißt, Fotos aus der Kabine oder Dusche nach dem Spiel oder Schmähungen anderer Vereine sind vom Code abgedeckt?

CARSTEN CRAMER: Natürlich gibt es hier und da mal einen Ausreißer, warum soll das im Netz anders sein als im TV-Interview. Alles weichzuspülen, ist nicht unser Ansatz. Aber genauso wie die Spieler wissen, dass sie sich nach dem Spiel bei ihren Fans zu bedanken haben, haben sie auch ein gutes Gefühl dafür, wie sie sich in der digitalen Welt zu bewegen haben.

STEHPLATZHELDEN: Ist diese gelebte Authentizität ein Vorteil von Borussia Dortmund gegenüber anderen Vereinen, weil der Austausch mit den Fans dadurch offener, ehrlicher ist?

CARSTEN CRAMER: Wir vergleichen uns nicht mit anderen Vereinen. Wir glauben allerdings, dass Kernmerkmale der Marke BVB die Echtheit, die Bodenständigkeit, die Anfassbarkeit sind. Und diese werden nicht nur von Mitarbeitern, sondern auch von den Spieler transportiert. Auch wir schulen die Mannschaft im Umgang mit den Medien. Doch wir wollen die Spieler Spieler sein lassen, als Botschafter von Borussia Dortmund.

Carsten Cramer, Borussia Dortmund

Carsten Cramer, Marketingchef von Borussia Dortmund

STEHPLATZHELDEN: Inwieweit beeinflussen sich Marketing- und Spiel-Philosophie?

CARSTEN CRAMER: Bei uns wird extrem emotional gearbeitet, alles ist bei uns super-intensiv. Das gilt auf dem Rasen genauso wie für unsere Arbeit im Marketing. Das ist nicht abgestimmt, sondern Teil der DNA des Vereins.

STEHPLATZHELDEN: Wie schafft der BVB den Spagat, einerseits bodenständig und regional verwurzelt zu bleiben, während sich der Verein gleichzeitig zu einer internationalen, weltweiten Marke entwickelt?

CARSTEN CRAMER: Das würde ich gerne durch einen Vergleich mit meinem Privatleben erklären: Meine Heimat ist Münster, eine mittelgroße Stadt, in der ich mich extrem wohlfühle. Aber ich habe mich genauso gefreut, heute nach Hamburg zu kommen. Und ich freue mich tierisch darauf, in der Champions League in Städte wie St. Petersburg zu fahren. Trotzdem weiß ich jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, wo meine Heimat ist. Ich bin überzeugt, dass Heimat und Herkunft, regionale Identität, die Ruhe und die Kraft geben, sich immer mal wieder zurückzunehmen. Und dies kann man auch auf unsere Arbeit und die Weiterentwicklung von Borussia Dortmund in neue Märkte übertragen.

STEHPLATZHELDEN: Und was sind dabei die größten Herausforderungen?

CARSTEN CRAMER: Wichtig ist, dass wir uns beim Transfer des BVB in neue Welten, seien es andere Länder oder digitale Kanäle, nicht verändern. Wir wollen zeigen, dass man seine Wurzeln nicht vergessen muss, um den nächsten Schritt zu machen. Das ist nicht immer leicht. Es gibt immer wieder Momente, in denen wir uns fragen: Passt das zu Borussia Dortmund? Und in diesen Momenten helfen Herkunft und regionale Identität als Korrektiv sehr.

STEHPLATZHELDEN: Herr Cramer, wir danken Ihnen für das Gespräch.