Über die Schönheit von Toren – eine systematische Annäherung
Das Wort „schön“ kommt uns dutzendfach über die Lippen. Täglich. Ein schöner Anblick. Ein sehr schönes Kunstwerk. Eine wunderschöne Frau. Wow, ein schönes Auto. Oder eben: Ein schönes Tor. Ein Traumtor. A Beauty of a Goal. Doch: Was macht eigentlich ein Tor „schön“? Was bei den Frauen die Formel 90-60-90 ist, lautet bei Toren (B x F x D) – Z.
Der erste Tag dieses Jahres war noch nicht vorbei, da riefen die Fußballkommentatoren bereits: „Das Tor des Jahres 2017 ist bereits gefallen!“ Arsenals Olivier Giroud gelingt im Spiel gegen Crystal Palace den so genannten „Skorpion Kick“ – er trifft den Ball mit der Hacke, in luftiger Höhe und schneller Vorwärtsbewegung. Ein Kunstwerk, ohne Zweifel, es ist ein richtig schönes Tor. Szenenwechsel: Drei Wochen später spielt der SC Freiburg im ersten Ligaspiel des Jahres zu Hause gegen FC Bayern. In der Nachspielzeit fliegt im Strafraum der Ball Lewandowski zu. Der Ball ist etwas zu hoch vielleicht. Darum springt Lewandowski und biegt seinen Körper nach hinten, er verliert dabei nicht das Gleichgewicht, sondern er stoppt den Ball mit der Brust. Der Ball prallt von seiner Brust nach vorne, Lewandowski pickt ihn mit dem rechten Fuß aus der Luft und zieht ihn nach hinten, und dann – der Ball ist immer noch in der Luft – schießt er mit links, lässt den Ball dabei über den Außenrist gleiten und trifft die Ecke des Tors, 1:2.
Bei Frauen misst man das Taille-Hüft-Verhältnis, um eine Schönheit zu küren. Bei Bildern wird der goldene Schnitt beigezogen. Und bei Toren? Es existiert keine Systematik, um die Schönheit von Fußballtoren zu messen. Es gibt keine Formel, die man zur Hand nehmen kann, um herauszufinden, ob das Tor von Lewandowski schöner ist als jenes von Giroud. Man lässt seit Dekaden die Fangemeinde über die schönsten Tore per Voting abstimmen – früher sandte man Postkarten ein, heute klickt man im Internet. Beim “Tor des Monats” gewinnen meistens Fallrück- oder Seitfall- oder sonstige Zieher, manchmal gewinnt auch der Schuss aus 42 Metern, der den Torwart verhöhnt. Aber glasklare Kriterien für ein schönes Tor sucht man vergebens.
Am letzten Wochenende wurde der Marcel Risse mit dem „Tor des Jahres 2016“ in der ARD ausgezeichnet. Er hämmerte zwei Freistösse aus praktisch identischer Distanz ins Tor. Und holte seit der Ehrung von Pierre Littbarski 1985 zum ersten Mal wieder die Trophäe nach Köln. Doch eigentlich hätte sie in die Schweiz gehört. Denn das Tor von Xherdan Shaqiri an der EM war spektakulärer, dynamischer und anspruchsvoller in der Ausführung. Doch wie misst man dies? Im Zeitalter von Big Data und dem gläsernen Spieler, bei dem jede Bewegung gemessen wird, ist es doch erstaunlich, dass es die Schönheit von Toren keinen Index gibt. Selbst die FIFA, die seit 2009 den “Puskás-Preis“ für das schönste Tor vergibt, bleibt schwammig: „Neben der subjektive Ästhetik eines Tores, zählt die Bedeutung des Spieles, in dem das Tor erzielt wurde, der Fakt, dass ein Tor nicht aus Glück oder infolge eines Fehlers des Gegenspielers gefallen ist und zudem kein unsportliches Verhalten des Spielers während des Spiels vorgefallen ist.“ Auch der Griff zum Philosophie-Lehrbuch hilft nicht weiter: Auch Platon war in seinen Beschreibungen nicht sonderlich präzise: “Schönheit hat ein passendes Verhältnis zum Göttlichen und sorgt beim Menschen für Freude und Offenheit.”
Darum ist es nun an der Zeit die Formel für schöne Tore zu entwerfen – hier eine Beta-Version: (B x F x D) – Z
- B: Die Bewegungen (Dynamik und Ästhetik) eines Spielers
- F: Die Flugbahn des Balles vor und dann ins Tor
- D: Distanz zur Torlinie
- Z: Zufällige Umstände beim Torerfolg
Das Datenteam der Stehplatzhelden hat rund 600 Tore mit der Formel ausgewertet. Untersucht wurden die grossen und mittleren europäischen Ligen in den ersten Wochen des Jahres 2017. Heissester Anwärter auf eine Auszeichnung wäre demnach Souleymane Doukara von Leeds United – mit seiner ersten Ballberührung im Spiel gegen Nottingham Forest in der zweiten englischen Liga. Ein Tor so ganz nach der Art des grossen Tony Yeboah… Überzeugen Sie sich selbst:
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