Einblick in das Transfer-Business: „Die Paten der Liga”

Thomas 7. August 2015
Bild Paten
Die Nachrichtenspalten sind in diesen Wochen voller Transfermeldungen und Gerüchten: Wechselt Ibrahimovic wieder zurück zur AC Milan? Warum zieht Artjoms Rudnevs den Hamburger Tribünenplatz der griechischen Sonne vor? Die Meldung der Woche kam gestern: Boateng wechselt nicht zu Sporting Lissabon, weil man sich offenbar nicht einigen konnte im Bereich der Bildrechte. Verrückte Fussballwelt! Von aussen betrachtet ist die Transferperiode eine Mischung aus marokkanischem Teppichhandel und einem Geschacher um die schönste Kuh an einem Älplerfest.

 

Sind Berater überhaupt pater spiritualis?
Wertvolle Einblicke in das Transfer-Business liefert ein neues Buch: „Die Paten der Liga“ von Kai Psotta, erschienen im vergangenen Januar im Piper-Verlag, ist eine abwechslungsreiche Darstellung über Spielerberater und deren Geschäfte. Wobei der Buchtitel bereits für Verwunderung sorgt: Der Pate (schweizerisch Götti) ist ein christliches Ehrenamt zur Unterstützung der Eltern. Der Duden spricht auch vom „Vater im Geist“. Ob der Begriff im Zusammenhang mit dem teilweise doch eher dubiosen Fussballgeschäft so passend ist und sich die Berater tatsächlich immer wie pater spiritualis verhalten, ist eher zweifelhaft. Sei’s drum, das Buch liest sich gut, es ist sehr journalistisch aufbereitet, teilweise sogar auch mit Interview-Passagen formuliert. Kai Psotta, im Hauptamt Redakteur bei BILD, wendet eine locker-flockige Sprache an und lässt aus seinem persönlichen Netzwerk viele Exponenten zur Sprache kommen: Ali Bulut, Michael Becker, Ingo Haspel, Bernd Hoffmann und wie sie alle heissen. Dann werden aber im Buch auch in vielen spannenden Passagen anonyme Akteure zitiert, was sicherlich die grösste Schwäche des Buches ist. Amüsant sind dagegen die vielen Anekdoten und Geschichten aus früheren Jahren, aber auch aus der Gegenwart.

 

Völler erhält neu 600 000 DM 
Holger Klemme etwa soll der „Erfinder und Urvater des Spielerberaterwesens“ sein: Er hat für Rudi Völler in den Achtzigern erfolgreich Verträge ausgehandelt. Die Gehaltserhöhung bei Werder Bremen auf 600 000 DM pro Jahr wäre offenbar nur darum zustande gekommen, weil Klemme clever Angebote von Juventus Turin reinholte und so die Werder-Verantwortlichen unter Druck setzte. Heute sind solche Geschäftsgebaren gang und gäbe. Die Gesetze des Kapitalismus machen keinen Unterschied zwischen Fussballspielern und anderen Produkten. Das Buch lebt von den vielen Zitaten, die Kai Post für sein Buch gesammelt hat. Wie etwa: „Genies gibt es überall. Aber bis sie Profis werden, ist es wie beim Popcorn in der Pfanne – manche knallen, manche nicht“. In der Tat: Nach der Lektüre bestätigt sich der Eindruck, dass das Geschäft um Spitzenfussballer und Spielerkarrieren unglaublich stark vom Glück anhängt, monetär teilweise völlig überrissen ist. Und dass Seriosität bei solchen Deals oftmals nicht an den Tag gelegt wird.

 

Was ist gerecht?
Aufschlussreich sind insbesondere die Passagen im Buch, die Insights geben, wie Verträge in diesem Business ausgehandelt und abgefasst werden. Zum Beispiel, dass Berater in der Regel zwischen acht und zwölf Prozent des Einkommens ihrer Spieler verdienen, wobei es hier auch wieder unterschiedliche Formen gibt. Manche Vereine zahlen die Beraterprovision abhängig vom Grundgehalt, andere abhängig vom Gesamtgehalt, also inklusive Prämien. Spannend ist auch das ausführliche Interview mit Michael Becker, dem Berater von Ballack, ganz am Ende des Buches. Angesprochen auf die „Gerechtigkeit“ in diesem Business meint er etwas philosophisch: „Ist es gerecht, dass die Bundeskanzlerin viel weniger verdient als derjenige, der den Vertrag von Messi bei Barcelona aushandelt? Die ganze Welt ist doch ungerecht! Jeder entscheidet letztlich selbst, welchen Job er macht. Welchen Weg er im Leben einschlägt. Und dann kommt auch noch dazu, das richtige Auge zu haben, das richtige Auftreten und auch viel Glück“. Wie wahr!

 

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