Macht Kommerzialisierung die Bundesliga kaputt?
Fragt man Stephan Grühsem, den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden des VfL Wolfsburg, nach der Kommerzialisierung im Fußball, fällt die Antwort eindeutig aus. Kommerzialisierung schade der Bundesliga nicht, sie sei vielmehr Voraussetzung für ihren weiteren Erfolg, so der VW-Vertreter auf FAZ.NET:
“Der Fußball in Deutschland sollte sich einige Fragen mal ehrlich beantworten. Die Erwartungshaltung der Fans ist doch zu Recht sehr groß: Jedes Wochenende sollen spannende, hochkarätige Spiele stattfinden, Titel müssen her, wir wollen Weltmeister werden und international ganz vorne sein. Das geht aber nur, wenn investiert wird. Spitzenfußball kostet Geld.”
Grühsem weiter:
„Die Fußballfans in Deutschland sollten mal einen realen Blick bekommen und sich nicht durch fadenscheinige Argumente wie Preistreiberei oder fehlende Tradition täuschen lassen.“
Sind die sogenannten “Fußballromantiker” also nur Träumer, die ihre Augen vor der Realität verschließen? Ganz so einfach sollte man es sich nicht machen, denn was ist der Spitzenfußball ohne seine – zugegeben oft traditionsbewussten – Fußballfans überhaupt noch wert? Selbst bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ist schwindendes Zuschauerinteresse doch durchaus bedenklich.
Als Fußballromantiker “outete” sich am Dienstag sogar Dietmar Beiersdorfer, der Vorstandsvorsitzende des HSV, bei einer Veranstaltung der “taz” im Hamburger “Kulturhaus 73″ (Foto) mit dem Titel “Klubs, Kunden, Investoren”. Auf den ersten Blick vielleicht überraschend, weil “Dukaten-Didi” seit letztem Sommer wieder mit Millionen von schwerreichen Gönnern des HSV herumspielen darf. Trotzdem betrachte er sich als Fußballromantiker und die Kommerzialisierung im Fußball kritisch, stellte aber nüchtern fest:
“Es wird schwierig, einen Riegel vorzuschieben, um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss man versuchen, an Geldmittel zu kommen.”
Dennoch sei es wichtig,
“den Fußball für alle Gruppen offenzuhalten.”
Eher ernüchtert, weil er in Bremen keine finanzstarken Pfeffersäcke hinter sich weiß, äußerte sich Werders neuer Aufsichtsratschef Marco Bode im Haus 73. Er sei schlichtweg
„manchmal auch etwas ratlos, wie wir als Klub mit dieser Entwicklung umgehen sollen.“
Einen nachdenklichen Perspektivwechsel brachte St. Pauli Präsident Oke Göttlich aus der Runde hervor:
“Wir müssen als Vereine schon schauen: Was hat der Verband mit unserem Wettbewerb vor.“ Ziel dürfe nicht nur sein, die Vereine “immer nur mit mehr Geld zu versorgen.”
Er befürchte sonst “closed shop” der großen Vereine, wie es ihn in den US-Profiligen gibt, ohne Durchlässigkeit durch Auf- und Abstieg.
Der Vergleich mit den US-Ligen ist tatsächlich interessant, allerdings weniger wegen des geschlossenen Systems, als vielmehr wegen der relativ strengen Marktregulierungen, die für einen ausgeglichenen Wettbewerb sorgen und damit für amerikanische Verhältnisse äußerst untypisch sind. So besteht insbesondere ein “salary cap”, das eine Gehaltsobergrenze definiert und damit die Gesamtsumme von Spielergehältern eines Clubs deckelt. Im europäischen Vereinsfußball könnte man damit den Einfluss von externen Investoren wirkungsvoll begrenzen.
Aber braucht man überhaupt eine Eindämmung der Kommerzialisierung? Ja, wenn man einen Wettbewerb erhalten möchte, in dem sich sportlich und strukturell gute Arbeit bewähren soll, wie sie z.B. im vergangenen Jahrzehnt Werder Bremen und zuletzt Borussia Mönchengladbach geleistet haben. Ohne Regulierung des Marktes werden diese beiden Clubs langfristig aus dem Spitzenfußball verschwinden, weil sie keine externen Geldgeber im Rücken haben, die zwei oder drei schlechte Jahre mit Finanzspritzen überbrücken können. Stattdessen werden dann Bayern München, VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und RB Leipzig die ersten vier Plätze der Bundesliga dauerhaft unter sich ausmachen.
Der europäische Profifußball braucht ein “salary cap”, sonst wird auch die Bundesliga zunehmend an Attraktivität verlieren.
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