Selfie von Francesco Totti nach “doppietta” im Derby
“Bandiera” ist das italienische Wort für Fahne/Flagge. Im “calcio” hat das Wort noch eine andere Bedeutung, wenn es in Ausnahmefällen auf einen Spieler bezogen wird, der besonders lange und erfolgreich für einen Verein spielt oder gespielt hat. “Aushängeschild” trifft es hölzern deutsch vielleicht am besten. Paolo Maldini vom AC Milan ist so eine “bandiera”, ebenso wie Alessandro del Piero von Juve oder eben Francesco Totti vom AS Rom.
Im Gegensatz zu seinen nur etwas älteren Kollegen ist Totti mit seinen 38 Lenzen noch immer im Profifußball aktiv. Es braucht nur wenige weitere Zahlen, um die Einzigartigkeit seiner Karriere auszudrücken: Seinen international größten Erfolg feierte er vor 8 Jahren mit dem Weltmeistertitel in Berlin, national war die Meisterschaft mit seinem AS Rom vor 13 Jahren der größte Titel, damals im besten Fußballeralter von 25 Jahren. Sein erstes Serie A Spiel bestritt Francesco Totti 1993 für die Roma, also nur drei Jahre nach dem Weltmeistertitel von Loddar, Buchwald & Co. in eben seinem Olympiastadion von Rom.
Erst kürzlich machte Totti als ältester Torschütze der Champions League Schlagzeilen und auch seine Aktion heute wird wieder international für Aufmerksamkeit und Erstaunen sorgen: Dabei geht es überhaupt nicht um seine zwei Treffer (“doppietta”) im heutigen Derby gegen Lazio, mit denen er einen 0:2 Rückstand noch in ein 2:2 verwandelte. Beide Male schlich der alte Hund seinen Gegenspielern im Rücken weg und netzte eiskalt ein:
Pressewirksam war vielmehr sein “Selfie”, das er unmittelbar nach dem Ausgleichstreffer vor seiner Curva Sud schoss. Ein Ordner hatte ihm kurzerhand sein Smartphone gereicht:
In Deutschland wird man die Aktion vermutlich wieder als selbstverliebt und vielleicht sogar unsportlich abtun. In Rom gab es für “la bandiera” nicht einmal gelb. Totti darf das.
Und das ist auch gut so, denn geschniegelte und korrekte Fußballprofis haben wir inzwischen genug. Die erneute Fokussierung in der Berichterstattung auf Tottis Blödelei ist ein Paradebeispiel für sein Image außerhalb Roms und die allgemeine Betrachtung seiner Karriere. Seine – in der Tat oft dämlichen – Eskapaden überschatten seine furiosen sportlichen Leistungen. Aber um seine Karriere an dieser Stelle insgesamt zu würdigen, ist es noch zu früh: Francesco Totti “nun ha finito ancora” – er “hat noch nicht fertig”. Seine Roma liegt nur drei Punkte hinter Tabellenführer Juve und vielleicht wird 2015 noch die Krönung des “König von Rom”.
Toto ist und bleibt unkonventionell. Ein echter Farbtupfer im ansonsten immer gleichfarbener werdenden Fußballzirkus.