We’ll always have Ramlingen/Ehlershausen: So long, Per Mertesacker

Flo 16. August 2014
merte

Nun ist es passiert. Per Mertesacker ist kein Nationalspieler mehr. Und auch wenn dies noch lange nichts mit dem finalen Abgesang einer großen Karriere zu tun hat, da er ja auf Vereinsebene weitermachen wird, so geht dennoch eine Nationalspielerkarriere zu Ende, die für mich immer einen besonderen Stellenwert hatte.

Und das kam so: Es war das Jahr 2003, und wie in jedem Sommer(loch) hieß es mal wieder, die bundesligafreie Zeit mit Testspielen zu überbrücken. Dabei kam es am 26. Juni zum traditionellen Aufeinandertreffen des damals noch recht frischen und gerade erst dem Abstieg entgangenen Bundesligisten Hannover 96 und dem Niedersachsenliga-Verein SV Ramlingen/Ehlershausen.

Das Spiel endete standesgemäß mit 5:0, und abgesehen von Martin Kinds bemerkenswerten Slippern fiel mir damals vor allen Dingen ein extrem hoch aufgeschossener Milchbubi auf, der in der 69. Minute von Ralf Rangnick eingewechselt wurde und einiges an Potential offenbarte. Dass Per Mertesacker seinerzeit zusammen mit den Kollegen Wolf, Duraj, Agac und Kotuljac, also Spielern der Kategorie “wo sind die eigentlich abgeblieben” eingewechselt wurde, zeigt, von welchem Punkt in seiner Karriere hier die Rede ist.

Dennoch hinterließ er an diesem Tag (scheinbar nicht nur) bei mir einen bleibenden Eindruck, auch wenn es noch bis November dauern sollte, ehe er als Außenverteidiger (!) in der Bundesliga debütierte und dabei offen gestanden eher wenig überzeugte. Dementsprechend dauerte es danach noch einmal 12 Spiele, ehe er im letzten Spiel unter Rangnick ein weiteres Mal eingesetzt wurde, dieses Mal auf einer Position, die Sinn für Merte machte. Der Rest ist Fußballgeschichte.

Doch bevor ich dazu komme, noch einmal ein kurzer, aber entscheidender Blick auf die ‘persönliche’ Verbindung zwischen Mertesacker und mir. Wie ging es nach dem Testspiel weiter? Wie es sich für Fußballfans mit zu viel Zeit gehört, bei Comunio. Mein Kader war dünn, mein Konto leer, und im Spätsommer kam da dieser Mertesacker mit nur einem “e” im Vornamen für den obligatorischen Mindestpreis von 160.000 Euro auf den Markt. An das Waldstadion von Ramlingen erinnert, noch einmal einen Blick auf meine finanziellen Mittel geworfen, und schon war die Mannschaft mit einem Spieler komplettiert, der vielleicht ja tatsächlich so etwas wie (leidlich lustiges Wortspiel unbeabsichtigt) Perspektive bei 96 haben könnte.

Der Rest ist Fußballmanager-Geschichte. Mertesacker wurde unter dem neuen Trainer Ewald Lienen ab dem 24. Spieltag Stammspieler, bescherte mir im Saisonendspurt einige (so sicherlich nicht erwartete) Punkte und beendete die Saison mit einem (10 Jahre später geschätzten) Marktwert von 5 Millionen Euro (wahrscheinlich war der tatsächliche Marktwert weitaus niedriger, aber egal). Keine Frage, dass ich mir den Burschen auch die nächsten Spielzeiten immer wieder gegönnt habe und somit doppelt bei seinen Einsätzen mitgefiebert habe.

So weit, so virtuell. Viel wichtiger ist natürlich, dass er den Schwung der Rückrunde 2003/2004 nutzte und nicht nur unumstrittener Stammspieler und Abwehrchef von Hannover 96 wurde, sondern auch bereits im Oktober 2004 unter Jürgen Klinsmann sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft gab. Die Besonderheit des Gefühls, als Anhänger eines mittelklassigen Fußballclubs einen jungen Spieler zum Nationalspieler heranreifen zu sehen, kann wohl nur jenseits von Isar und Elbe sowie Signal-Iduna-Park und Veltins-Arena wirklich nachvollzogen werden. So etwas kommt an der Leine einfach nicht oft vor, und war deswegen auch bei den 103 folgenden Einsätzen immer mit einem gewissen Gefühl des Stolzes verbunden. Was viel mit dieser Geschichte, aber auch viel mit dem Sportler Per Mertesacker zu tun hat.

Denn wenn es sich auch noch um einen derart fairen, offensichtlich bodenständigen Vertreter seiner Zunft handelt, ist das Prädikat Lieblingsspieler schon ziemlich nahe (wenn auch in diesem Fall unerreichbar und an einen Spieler vergeben, der seine Schuhe diesen Sommer wohl tatsächlich endgültig und vollständig an den Nagel hängen wird – Fortsetzung folgt). Da war es dann auch schnell ver- und nachvollzogen, als dem Sommermärchen 2006 der Wechsel zum damaligen Spitzenclub aus Bremen folgte. Logischer nächster Schritt und so. Sogar das neue Trikot wurde nach Hannover importiert und sorgte beim Joggen  in der schönen Eilenriede für einige lustige Szenen: Mehr als einmal kam es vor, dass dem skeptischen bis abschätzigen Blick auf das hier nicht sonderlich wohl gelittene Bremen-Logo ein anerkennender Blick auf die Rückennummer folgte. Wahrscheinlich ereignen sich mittlerweile ähnliche Szenen im Bremer Stadtwald, wo Arsenal-Trikots seit 2011 ebenfalls einen neuen Stellenwert bekommen haben dürften, wenn sie nur die richtige Rückennummer haben.

Selbiges wird der BFG hoffentlich noch lange tragen und vielleicht sogar noch einmal einen Titel mit Arsenal holen, auf dass er dort seine Vereinskarriere mit einem ähnlichen Erfolg beenden kann wie in der Nationalmannschaft. Oder aber, und jetzt beginnt das Träumen, auf das Kapitel London folgt eine Rückkehr an den Ort, wo alles begann. Denn welches Argument für eine Rückkehr zu Hannover 96 wäre besser als die Aussicht auf ein Testspiel im beschaulichen Ramlingen/Ehlershausen? Da macht es auch nichts, dass es bei Comunio mit den 160.000 Euro Kaufpreis schwierig werden dürfte.