FIFA-Ethikkommission: Justitia oder Tiger ohne Zähne

Tim 29. August 2014
FIFA_Logo

Als Franz Beckenbauer vor einigen Monaten von seinen Katar-Besuchen erzählte und süffisant berichtete, er „habe dort noch nicht einen einzigen Sklaven herumlaufen sehen“, da konnte auch seine sonst vieles übertünchende Aura als Lichtgestalt nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kaiser offensichtlich in seiner ganz eigenen Welt lebt. Anders war dieser ethisch arg bedenkliche Kommentar zum zukünftigen WM-Ausrichterland nicht zu erklären.

Ethikkommission untersucht Korruptionsverdacht bei WM-Vergabe

Glücklicherweise sind nicht alle Menschen so verblendet wie Beckenbauer und die FIFA muss sich seit Bekanntgabe der WM-Vergabe an Katar immer lauter werdender Kritik stellen. Als Reaktion auf den äußeren Druck setzte die FIFA eine Ethikkommission ein, die die Vergabe des Turniers 2022 untersuchen soll. In Kürze wird sie ihren Abschlussbericht an die rechtsprechende Kammer des Verbands übergeben, der nach Einschätzung vieler Experten verheerend sein dürfte und eigentlich einen Entzug der WM für Katar und die anschließende Neuvergabe zur Folge haben müsste. Dass Katar in diesem Fall mit Schadensersatz drohen würde, glaubt Ex-DFB-Präsident und nun FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger nicht:

„Wer zu unrecht eine WM bekommt, weil er sie mit ethisch verwerflichen Mitteln gewinnt, hat auch keinen Anspruch auf Schadensersatz.“

(Ehemaliger DFB-Präsident und FIFA Exekutivmitglied Theo Zwanziger)

Er hält die Vergabe der WM an den Wüstenstaat für einen „gigantischen Fehler“, will aber natürlich das offizielle Ergebnis der Ethikkommission abwarten.

Konsequenzen des Abschlussberichts ungewiss

Ob die FIFA aus dem Abschlussbericht der Ethikkommission rund um den amerikanischen Ermittler Michael Garcia überhaupt Konsequenzen ableitet, ist mehr als ungewiss. Nachdem die FIFA (wohlgemerkt, rechtlich gesehen ein gemeinnütziger Verein) bei der gerade durchgeführten WM in Brasilien einen neuen Rekordprofit von deutlich über 3 Mrd. EUR aus Lizenzen und Vermarktungsrechten verbucht hat, würde ein – dann bestätigter – Schmiergeldskandal zwar das FIFA-Image weiter belasten. Eine offizielle Absage der WM in Katar samt Neuvergabe käme aber einem Schuldeingeständnis gleich, was eingeplante Vermarktungserlöse gefährden würde. Denn welcher Sponsor hat schon Interesse daran, im Dunstkreis einer Organisation zu werben, bei der es offensichtlich drunter und drüber geht und deren Offizielle sich munter an ihr bereichern. Der hannoversche Reifenhersteller und Automobilzulieferer Contintental, langjähriger Sponsor von Fußballweltmeisterschaften, hat bereits bekanntgegeben, sein Engagement bei den Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar nicht fortzusetzen.

200 Mrd. Euro Mehrkosten für WM-Vergabe nach Katar?

Der US-Wissenschaftler Viktor Matheson, Sportökonom und Ex-Linienrichter in der MLS, beziffert den gesamtwirtschaftlichen Schaden einer durch Korruption herbeigeführten WM-Vergabe für Katar auf rund 200 Mrd. Dollar. Es wird spannend sein zu sehen, ob der Weltfußballverband auch bei einem negativen Abschlussbericht der Ethikkommission diese volkswirtschaftlichen Mehrkosten ignoriert oder gar stillschweigend akzeptiert, um die eigenen Profite nicht zu gefährden.

Wer mehr Details zu den oben geschilderten Aspekten hören möchte, dem sei der Podcast “Weltfußball – Die Machenschaften der FIFA“ vom Deutschlandfunk ans Herz gelegt.

Wir von den Stehplatzhelden verfolgen die Machenschaften der FIFA kontinuierlich und fassen sie regelmäßig in unserem FIFA-Watchblog zusammen.