Rezension „Mythos Fussball-WM“ – Coffee-Table-Buch für den Fußballstammtisch

Tim 25. Mai 2014
Buch-Cover "Mythos Fussball-WM"

Wem bloße Fakten über Teams und Verbände wie im aktuellen Kicker-WM-Sonderheft zu dröge sind, dem sei „Mythos Fussball-WM“ als mentale Vorbereitung auf die anstehende Fußballweltmeisterschaft empfohlen. Das Buch gibt zwar keinen Ausblick auf Brasilien, schaut aber liebevoll auf die vergangenen Turniere seit der ersten Austragung zurück.

Ganz ohne Zahlen und Tabellen kommt jedoch auch „Mythos Fussball-WM“ nicht aus. Das Buch ist chronologisch aufgebaut, beginnt mit der ersten WM 1930 in Uruguay und endet mit der letzten Weltmeisterschaft in Südafrika vor vier Jahren. Jedem Turnier sind dabei drei bis 22 Seiten gewidmet (naturgemäß sind die jüngeren Weltmeisterschaften etwas ausgiebiger beleuchtet). Es werden die teilnehmenden Mannschaften genannt und sogar ihre Trikotdesigns dargestellt. Natürlich dürfen auch die Ergebnisse aus den K.O-Runden nach den Gruppenspielen nicht fehlen. Das war es dann aber auch schon mit dem chronistischen Anspruch.

Seine Stärke spielt „Mythos Fussball-WM“ in den großen und kleinen Geschichten rund um die Turniere aus, meistens erzählt anhand der Protagonisten jener Zeit. So kommen ehemalige Torschützenkönige zu Wort (Toto Schillaci), junge Helden (der brasilianische Kapitän 1970, Carlos Alberto Torres), tragische Opfer (Patrick Battistant nach Toni Schumachers Bodycheck) oder ehemalige Weltklasse-Spielmacher (wie der Belgier Enzo Scifo).

Vermitteln die persönlichen Gedanken ehemaliger Spieler Einblicke in den Fußball der damaligen Zeit, so sind die Anekdoten drum herum das Salz in der Suppe. Hier hat sich Autor Bernard Lions dankenswerter Weise nicht in der Mottenkiste bedient, sondern selten gehörte oder vergessene Geschichten ausgegraben. So erfährt man beispielsweise, dass die USA bei dem Turnier in Uruguay 1950 ihre beste WM-Platzierung erreicht hatten. Dies aber aller Wahrscheinlichkeit nur schafften, weil sie kurz vor dem ersten Spiel auf die Schnelle noch fünf englische und einen schottischen Spieler einbürgerten. Charmant ist auch die Erzählung, warum “les Bleus”, die französische Nationalmannschaft also, ihr Gruppenspiel gegen Ungarn 1978 in grün-weißen Trikots austrug.

Insgesamt ist dem Autor ein sehr liebevoller Rückblick auf die Jahrzehnte lange WM-Geschichte gelungen, ohne dass beim Schwelgen in Erinnerungen Langeweile aufkommt. Im Gegenteil, der kompakte Überblick gepaart mit emotionalen Erinnerung von Zeitzeugen macht den Band sehr kurzweilig. Er bietet somit einiges Potenzial, beim nächsten Stammtisch mit neuem Fachwissen zu punkten. Ein Coffee-Table-Buch, das man getrost auch schon einige Wochen vor dem Eröffnungsspiel im Wohnzimmer platzieren kann.