Buch “Kurven-Rebellen“: Einblicke in eine widersprüchliche Szene

Thomas 8. Mai 2014
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Es het klöpfet! Es hat geknallt! Immer wieder und in den letzten Tagen gerade an manchen Orten. Die Rede ist von Ausschreitungen zwischen Ultra-Gruppen und der Polizei, von Verwüstungen sogenannter Fans und von grossen Schlagzeilen, die vom Thema Gewalt handeln. Beim HSV greift die Polizei ein und stürmt einen Fan-Block, dies aufgrund eines provokanten Banners. In der Schweiz nehmen nach dem Spiel in Basel „Fans“ der Grasshopper Zürich einen ganzen Zug auseinander. Und in Süditalien erlangt ein Vorsänger der Ultras gar nationale Bekanntheit. Es het klöpfet! Es hat geknallt!

Es ist also ein idealer Zeitpunkt sich weiterzubilden auf dem Gebiet der Ultras. Eine Hilfestellung bietet das von Christoph Ruf verfasste Buch „Kurven-Rebellen“, das im letzten Herbst erschienen ist. Der Autor kommt aus Karlsruhe und es mangelt ihm nicht an Selbstvertrauen. So ist auf dem Buchrücken folgendes Zitat abgedruckt: „Komisch, Sie sind Journalist und haben trotzdem Ahnung von der Materie“. Ja, er hat Ahnung. Im Gegensatz zu mir. In meiner Zeit, als ich auf den Stehplätzen des alten St. Jakob Stadions sozialisiert wurde, dümpelte der FC Basel gerade in der zweiten Liga, die Jahreskarte kostete für Jugendliche 25 Franken. Und furchterregende Typen spazierten dort in Bomberjacken rum. Das Wort Ultras gab es in meinem Wortschatz nicht. Die Pyrofackeln wurden mit Erlaubnis des Vereins auf dem Spielfeld vor Anpfiff gezündet. Und Choreografien wurden damals auf den Rängen keine inszeniert. Es war die Zeit der frühen 90er Jahre eben.

Das Buch von Ruf bietet wertvolle Nachhilfe und zeichnet ein facettenreiches Bild über Ultra-Fanbewegungen. Monatelang reiste der Autor durch die Republik und redete mit zahlreichen Exponenten und Mitglieder von Fan-Gruppen. Diese Reportage-ähnlichen Passagen sind denn auch die stärksten des Buches. Hier deckt der Autor Widersprüche auf und hier werden die Menschen, die ohne Unterbruch singen, etwas fassbarer. Christoph Ruf hätte ruhig mit seinem Zoom noch dichter ranhalten können und sich dafür auf noch weniger Protagonisten beschränken sollen. Formal hat das Buch die Schwäche einer nicht konsistenten Struktur. Der Aufbau und der Ablauf der Kapitel sind etwas zufällig, mal sind es Portraits von Ultra-Gruppen, mal wird ein spezifischer Bereich beleuchtet, zum Beispiel das Verhältnis Ultras zur Polizei oder die Abgrenzung zu rechten Gruppierungen. Doch die Lektüre lohnt sich allemal. Denn das Buch deckt das Themenfeld vielschichtig ab. Im Sound der Schreibe des Autors spürt man, dass er sich als Kenner dieser Szene angenähert hat und auch die Vielschichtigkeit der heutigen Fankultur beleuchten möchte.