Coming-out von Hitzlsperger: “Unsere Gesetze sind liberaler als die Gedanken in den Köpfen der Menschen”

Tim 11. Januar 2014

Das Presseecho zu Thomas Hitzlspergers Coming-out ist einheitlich: alle loben den Mut des ehemaligen Nationalspielers und zollen seinem Schritt in die Öffentlichkeit Respekt. Hat Hitzlsperger damit den Weg für aktuelle Bundesligaspieler bereitet, schon sehr bald öffentlich über ihre Homosexualität zu sprechen?

Eher nein, meint der renommierte Fanforscher der Leibniz Universität Hannover, Professor Gunter A. Pilz. Er ist davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft einen solchen Schritt weiterhin sehr schwer macht.

“Unsere Gesetze sind liberaler als die Gedanken in den Köpfen der Menschen. (…) Viele Menschen geben sich nach außen offen, sind dann aber erschrocken, wenn sie zwei Männer beim Schmusen sehen.”

Professor Gunther A. Pilz, Leibntz Universität Hannover (in “Die Welt Kompakt” vom 10.1.2014)

Am Tag der Veröffentlichung des “Zeit”-Interviews eröffnete auch das “ZDF Heute Journal” mit einem Beitrag über Hitzlspergers Coming-out. Klaus Kleber spielte in seiner Anmoderation auf die innere Zerissenheit vieler Menschen im Umgang mit dem Thema Homosexualität an:

“Wie viele von uns würden wohl dem Satz zustimmen: Ich stehe Schwulen sehr aufgeschlossen gegenüber, aber ich bin froh, dass mein Sohn es nicht ist.”

Klaus Kleber im “ZDF Heute Journal” am 8.1.2014

Sowohl Kleber als auch Professor Pilz weisen darauf hin, dass die Lockerheit im Umgang mit Homosexualität in unserer Gesellschaft vielfach nur oberflächlicher Natur ist. Sie ist oft nur Fassade.

HufPo mit zweifelhafter Formulierung

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Wie unsicher wir mit dem Schwulsein umgehen, zeigte sich nichtzuletzt auch in der Berichterstattung einzelner Medien. So z.B. bei der Huffington Post, wo die Wortwahl im Twitter-Post zeigte, dass für den Redakteur selber nicht eindeutig zu sein schien, ob Hitzlspergers Coming-out nun ein “Bekenntnis” oder doch eher ein “Geständnis” war.

Coming-out bleibt Spießrutenlauf

Klar ist: Solange unsere Liberalität nur Fassade ist, solange wird es für jeden schwulen Fußballspieler ein Spießrutenlauf sein, sich während seiner aktiven Laufbahn zu outen. Denn wo, wenn nicht in den Fankurven der Fußballstadien, fällt die Fassade unserer Gesellschaft und es bahnen sich Intoleranz und Schmach ihren Weg.