Ultras in der Bundesliga: mehr Selbstreflexion, weniger Egozentrik

Tim 24. November 2013
Ultras im Stadion

Die Diskussion um Ultras in Fußballstadien läuft seit geraumer Zeit: Sind Ultras nun das Herz jeder Fankultur oder ein überflüssiger Mob, der sich nicht an Regeln hält? Viel Wahres und Falsches ist dabei ausgetauscht worden, doch eine abschließende Bewertung fällt weiterhin schwer. Vielleicht auch, weil es objektiv nicht möglich ist, zu einem sachlichen Ergebnis zu kommen.

Dieser Artikel ist deshalb auch kein Versuch, eine Antwort zu finden. Er ist vielmehr eine Beobachtung mit einer subjektiven Einschätzung. Und die fällt leider negativ aus.

 Selbstverständnis der Ultras 

Ultras proklamieren für sich, ihr Team ununterbrochen zu unterstützen und es über all hin zu begleiten – komme, was wolle. Bengalos wären dabei nur ein Ausdruck ihres bedingungslosen Supports und wichtiger Bestandteil einer begeisternden Atmosphäre im Stadion. Für diese seien eben sie, die Ultras, verantwortlich. Und nicht wenige sind davon überzeugt, dass ohne sie die Stimmung auf den Rängen brach läge.

Mehrzahl der Zuschauer gegen Pyrotechnik

Doch offensichtlich gibt es eine verschobene Selbstwahrnehmung der Ultras in den Fanszenen. Die große Mehrheit der Zuschauer findet Feuerwerk und Rauchbombem überflüssig und würde sehr gerne auf Sie verzichten. Dies zeigen die immer häufiger aufkommenden Pfeifkonzerte, wenn Pyrotechnik gezündet wird. Denn für unbeteiligte Stadionbesucher, die vom Rauch der Bengalos & co. betroffen sind, ist im besten Fall die Sicht versperrt, im schlechteren Fall fühlen sie sich gesundheitlich beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass vereinzelte Rauchbomben oder Fackeln in den wenigsten Fällen zu einer “einzigartigen Atmosphäre” beitragen, sondern eher peinlich wirken.

Ununterbrochene Unterstützung oft Lippenbekenntnis 

Auch die vielzitierte ununterbrochenen Unterstützung kann man hinterfragen. Ist es unbedingter Support, wenn man 45 Minuten den gleichen, tranceartigen Gesang anstimmt? Gesang, den die Mannschaft gar nicht mehr mitbekommt, weil er sich wie ein monotoner Geräuschteppich in den Hintergrund legt? Kreatives Liedgut sucht man in vielen Fankurven der Bundesliga vergeblich, scheint sich der Gesang doch auf immer weniger Melodien zu beschränken. Vergleicht man die Vielfalt jedenfalls mit den Fanliedern der 80iger und 90iger Jahre, sieht es heutzutage mau aus.

Besonders entlarvend wird es, wenn die “ununterbrochene Unterstützung” in das Gegenteil umschlägt und die gebeutelte Ultra-Seele ihrem Kummer Luft macht. Wenn nach dem siebten sieglosen Spiel die eigene Mannschaft beim Gang in die Fankurve mit “Wir haben die Schnauze voll”-Chören bedacht wird (so z.B. geschehen durch Gästefans von Hannover 96 nach der Niederlage in Hamburg; aber hierfür ließen sich auch diverse weitere Beispiele anderer Vereine finden). Klar, sieben Mal nicht gewinnen, ist nicht schön. Aber bedingungsloser Support sieht anders aus. Nach dem Selbstverständnis der Ultras müssten sie eigentlich bzw. gerade auch in diesen Situationen zum Team stehen und es weiter voll unterstützen, um durch den Schulterschluss gemeinsam den Ausweg aus der Misere zu finden.

Fazit: mehr Selbstreflexion, weniger Egozentrik 

So lässt sich nur ein nüchternes Fazit ziehen. Wenn die Ultras Verständnis, vielleicht sogar Unterstützung für Ihre Überzeugung und Ihr Handeln haben möchten, dann müssen sie sich zunächst einmal selber hinterfragen. Denn häufig scheinen sie nicht zu sehen, dass der Effekt Ihres Handelns nicht der ist, den sie sich ausmalen. Selbstreflexion ist gefragt – und weniger Egozentrik.

Und bis dies geschehen ist, haben nicht nur die Ultras “die Schnauze voll”. Wir auch.