“Trautmanns Weg” – ein Mann, zwei Leben

Thomas 21. November 2013
Durch glückliche Zufälle landet Trautmann im März 1948 als Torhüter beim Amateurverein St. Helens Town

Humility, das Wort taucht in der Biographie über Bernd Trautmann immer wieder auf: Bescheidenheit und Demut. Die Geschichte des deutschen Torhüters, der in jungen Jahren von Bremen in den Krieg an die Ostfront gezogen ist und dann knapp ein Jahrzehnt später in England als beliebtester Spieler von Manchester City gefeiert wird, ist berührend und absolut lesenswert.

Bernd Trautmanns Leben spielt sich in den Extremen ab

Eigentlich ist es eine Geschichte in zwei Leben. Das erste ist der Weg eines Jungen, dem Bernie. Er konnte schnell laufen, hoch springen, Bälle aller Art fangen und weit werfen. Er tritt der Hitlerjugend bei und ist ehrgeizig. Er möchte ein besseres Leben führen als sein Vater, der  in Doppelschichten am Hafen von Bremen schuftet, um genügend Geld zu verdienen. Zu dieser Zeit gab es über fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland. Der Krieg brach aus. Bernd Trautmann meldete sich als Freiwilliger und zog in die Wehrmacht. Es folgten die dunkelsten Momente seines ersten Lebens: Er war erst 22 Jahre alt, aber bereits verbittert wie ein alter Mann. Fünf Jahre lang hat er nichts anderes erlebt als Krieg – das Adrenalin, den Schrecken und die Brutalität.

Dann beginnt das zweite Leben: Als Kriegsgefangener landet Bernd Trautmann in England, irgendwo im Nirgendwo. In einem Lager neben mehreren weiteren tausend Deutschen. Bei schönem Wetter hing Bernd draußen vor der Hütte, bei schlechtem lag er stundenlang dösend auf seinem Bett. Aus lauter Langeweile beginnt Trautmann mit Kameraden Fußball zu spielen. Es war großartig, wieder einen Ball zu schießen. Die ersten Spiele wurden ausgetragen – das Lager Ost gegen das Lager West. Jetzt nimmt die Geschichte von Bernd Fahrt auf. Und erzählt die Annäherung in den Nachkriegsjahren zwischen der Bevölkerung in England und den Gefangenen. Rührende Begegnungen, zu tausendfach. Die Städte und Dörfer waren grau vom Dreck und Qualm der Fabriken und Kohleöfen. Knappheit und Warteschlangen überall.

 Trautmann hält vier Elfmeter in einem Spiel

Über einen Bekannten darf Bernd bei St.Helens Town trainieren, einem Verein, der in diesem Moment gerade einen Torwart suchte. Was für ein Glück. Und was für ein weiterer Verlauf der Karriere: Später bei Manchester City wird er unter dem Protest vieler Fans engagiert und entwickelt sich zu einem der weltbesten Torhüter, allerdings ohne nur einmal für die Nationalmannschaft gespielt zu haben. Bundestrainer Herberger schrieb Trautmann einen seitenlangen Brief: “Das Schicksal hat es so gewollt, dass Sie zu einem verhinderten Nationalspieler wurden. Keiner hat dies mehr bedauert als ich.” Herberger wollte nur Spieler im Kader haben, die in Deutschland kicken. Gleichwohl wird Trautmann zur “lebenden Legende”: Er hält in einem Spiel gleich vier Elfmeter oder spielt 1956 im FA-Pokalfinale trotz eines Genickbruchs weiter – und überlebt nur knapp. Auszeichnungen, Ehrungen, Rekorde. Bernd Trautmann erhält eine ungebrochene Wertschätzung und ist in England unglaublich populär. Humility ist es, was die Leute so an Trautmann so schätzen. Sein zweites Leben endete im letzten Sommer.

Catrine Clay;
Trautmanns Weg – vom Hitlerjungen zur englischen Fußball-Legende;
320 Seiten; Verlag die Werkstatt

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