Neues von der Scheibenwelt: Terry Pratchett erklärt den Fußball

Flo 22. August 2013

Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein Discworld-Buch auf einem Fußball-Blog besprochen wird. Doch im Fall von Terry Pratchetts Unseen Academicals (2009, DT: Der Club der unsichtbaren Gelehrten, 2012) lohnt sich auch ein Blick durch die Brille eines Stehplatzheldens. Pratchetts immens erfolgreiche Für-Fantasy-das-was-Douglas-Adams-für-Science-Fiction-war-Reihe von der Scheibenwelt widmet sich durch die Brille der satirischen Fantasy stets bestimmten Aspekten westlicher Zivilisation. Insbesondere in den jüngeren Romanen entstanden dadurch jeweils hoch amüsante Parabeln, die so unterschiedliche Aspekte wie Telekommunikation, Finanzwirtschaft, Rassismus oder auch Geschlechterrollen unter die Lupe nehmen.

Im Fall von Unseen Academicals steht der Fußball im Mittelpunkt des Buchs. Oder besser: Das, was Fußball im Großstadtmoloch von Ankh-Morpork (quasi die FantAsi-Variante des frühneuzeitlichen Londons) ist. Und das ist gar nicht mal so weit von der Realität auf unserer Kugelwelt entfernt. Der Plotaufhänger ist, dass die Magier der Unsichtbaren Universität aufgrund einer obskuren Stiftungsklausel dazu verdonnert werden, ein Fußballteam zu gründen. Dabei ist zu beachten, dass Fußball zu Beginn des Buches eine Art Straßenfußball ist, die mit anarchisch noch milde beschrieben ist: Der Ball ist kein Ball, die Tore sind auch eher eigenwillig und werden zudem von den Zuschauern ebenso verschoben wie die Umrisse des Spielfelds, und Gewalt ist wichtiger als Tore schießen. Somit ist also die elitäre Gruppe von magischen Akademikern gezwungen, ein Spiel einfacher Menschen zu spielen, und schon hier zeigt sich der spezifisch britische Einschlag des Buchs: So wird nicht nur die bedingungslose Loyalität zum eigenen Verein durchgängig thematisiert, sondern auch die Aspekte sozialer Trennung, die im Fußball stets eine Rolle spielen. Ebenfalls thematisiert werden dadurch die Anfänge des modernen organisierten Fußballs in Amateurmannschaften, die oftmals sauber getrennt aus Spielern gehobener und weniger privilegierter Schichten bestanden.

Dem organisch gewachsenen Anarchofußball (“It had just evolved that way”) setzen die Magier nun technische (Ball) und spieltaktische (Regeln) Neuerungen entgegen, und entwickeln so das Spiel in Richtungen, die an heutigen Fußball erinnern. Das ist, gerade in der ersten Hälfte des Buchs, sehr kurzweilig und aufschlussreich geschrieben und macht unter anderem viel Lust, sich mehr mit den Anfängen modernen Fußballs zu beschäftigen. Und auch wenn das Buch insgesamt in der zweiten Hälfte merklich an Struktur und Prägnanz verliert, so bleibt es dennoch eine interessante Betrachtung des Ballsports durch eine alles andere als alltägliche Perspektive.

Dies lässt sich abschließend mit den Worten des Bibliothekars (der, Achtung, aufgrund eines magischen Unfalls im Körper eines Orang-Utans steckt) gut illustrieren: “It is said that the onlooker sees most of the game. But the librarian could smell as well, and the game, seen from outside, was humanity”. Fußball als Sinnbild für Mensch(lich)keit – sicherlich nicht die unattraktivste aller möglichen Lesarten dieser Sportart.

Die Links zur englischen und zur deutschen Buchausgabe: