Pep Guardiola, der FC Bayern München und der mediale Wahnsinn

Tim 30. Juni 2013

Das Gute vorweg: Wir haben die erste Woche seit dem Amtsantritt von Pep Guardiola als neuer Trainer des FC Bayern überstanden. Doch was wir in diesen letzten Tagen aushalten mussten, hatte wahrlich eine neue Dimension erreicht.

Liveticker zu Pep Guardiolas Vorstellung bei SPIEGEL ONLINE

Liveticker zu Pep Guardiolas Vorstellung bei SPIEGEL ONLINE

 

Dass die Deutsche Sportjournalie dafür bekannt ist, Fußballer nach drei guten Spielen am Stück in den Sportolymp zu hieven, um sie später in ähnlich kurzer Zeit wieder herabzustürzen, ist allgemein bekannt. Und wir haben uns auch an das “Hochjazzen” von Allerweltsereignissen zu einmaligen Ereignissen, die eine Eilmeldung zu rechtfertigen scheinen, gewöhnt. Doch das, was die hiesige Medienlandschaft aus der Amtseinführung von Pep Guardiola beim FC Hollywood macht, ist wirklich des Guten zu viel.

Gardiola-Überdruß auf der Startseite des Mobil-Angebots vom KICKER

Gardiola-Überdruß auf der Startseite des Mobil-Angebots vom KICKER

Live-Ticker zum epochalen Ereignis

Führende Nachrichtenportale wie Spiegel Online und Focus Online sowie Unterhaltungsseiten á la Bild.de fühlten sich genötigt, per Liveticker zunächst von der offiziellen Vorstellung des Spaniers, später dann sogar noch vom ersten Training unter dem neuen Coach zu berichten. Man hatte den Eindruck, die Medien wollten mit aller Macht die Menschen von der Bedeutung dieses “epochalen Ereignisses” überzeugen. Frei nach dem Motto: “Interessiert Euch gefälligst dafür!”.

Hätte Guardiola in den letzten Monaten mit “Yes, we can!”-Aufrufen die Bayern auf Großes eingeschworen. Oder aber die Lösung alle Probleme auf der Welt versprochen. Ja dann könnte man zumindest Verständnis aufbringen, warum der mediale Hype solche Ausmaße annimmt. Aber der ehemalige Erfolgscoach des FC Barcelonas ist das exakte Gegenteil des FC Hollywood: ruhig, bescheiden und zurückhaltend.

Informationen ohne Gehalt

Die Informationsvermittlung der Live-Berichterstattung ist dann auch ungefähr so gehaltvoll wie die Phrasen der Kommentatoren einer WM-Eröffnungsfeier. So erfuhr man bei Spiegel Online zum Beispiel, dass Pep vom Münchner Maskottchen Bernie ein Trikot überreicht bekam. Und dass er seinen Dienstwagen nach der Vorstellung erst einmal stehen ließ. Wahnsinn.

Um den Hype um Pep Guardiola noch ein wenig weiter einzuordnen, haben wir uns die Startseite des Kicker Mobile-Angebots vorgenommen. Auf dem Screenshot links sind alle Artikel gelb umrandet, die sich auf den neuen Trainer und die ersten Trainingstage beziehen. Was bereits durch die Hervorhebung optisch klar wird, untermauern auch die Zahlen: 12 von 28 Teasern (!) beziehen sich direkt auf die Inthronisierung des neuen Heilsbringers an der Isar. Das sind mehr als 40%. Hinzu kommen weitere Teaser, die zumindest den FC Bayern zum Thema haben, wenn auch ohne Guardiola.

Die Dominanz des Themas war erschlagend. Zeitweise hatte man den Eindruck, es gebe keine anderen Vereine mehr in der Bundesliga. Zumindest müssten sie sich im tiefen Winterschlaf befinden, so dass es keine Neuigkeiten über sie zu berichten gab.

Dank Guardiola war die Guardiola-Woche auszuhalten

Dass wir die letzten Tage der Berichterstattung überhaupt ertragen haben, lag vor allem an zwei Dingen: erstens, konnte man sich dem Huldigungswahn durch Abschalten/Nicht-Lesen versuchen zu entziehen; und zweitens an Guardiola selbst. Denn der Spanier bot durch seine sympathische, zurückhaltende Art einen wohligen Kontrast zur Hysterie um ihn herum.

Liebe Chefredakteure und Senderverantwortliche, liebe  Sportreporter und Nachrichtenchefs, wenn wir uns etwas wünschen dürfen, dann dies: eine maßvolle, die Verhältnismäßigkeit im Auge behaltende Berichterstattung. Gerne zur neuen Taktik Guardiolas, nicht aber über seinen Dienstwagen. Auch zur Leistung der Bayernstars, jedoch nicht zu der des Maskottchens. Es würde uns die nächsten Wochen einfacher machen.