HSV-Juventus: 30 Jahre “Nacht von Athen”

Thomas 22. Mai 2013
Der kommende Samstag ist ein besonderer Tag, nicht nur wegen des Finalspiels im Wembley. Es jährt sich die dann auch “die Nacht von Athen” zum 30. Mal: Am 25. Mai 1983 gewann der HSV den Europapokal der Landesmeister. Der Erfolg im Olympiastadion Athen ist bis heute der größte der Vereinsgeschichte. Exklusiv auf Stehplatzhelden gibt es dazu ein besonderes Leckerli: Wir haben den Original-Kommentar der ZDF-Übertragung des Spiels HSV gegen Juventus transkribiert – vom Start der Übertragung bis zum entscheidenden Tor von Felix Magath in der 9. Minute. Am Mikrofon war Günther Peter Ploog.

Guten Abend, liebe Fußballfreunde in Deutschland. Herzlich willkommen zum 28. Finale der Landesmeister in Athen. Ich begrüße auch die vielen in Deutschland lebenden Italiener, die heute Abend wohl geschlossen vor dem Fernseher sitzen. Denn Juventus Turin ist ja so eine Art Klub für alle Italiener. …

Um Sie ein bisschen neidisch zu machen: Das Wetter in Athen super, am Tag etwa 28, 29 Grad, strahlend blauer Himmel, die Sonne ohne eine einzige Wolke. Heute Abend im Stadion noch etwa 23, 22 Grad. Ideale Verhältnisse. Es kann sich also keiner hinterher beschweren – es geht auch ein leicht kühlender Wind vom Meer – dass das hier zu heiß gewesen sei. Und darunter möglicherweise die Leistung gelitten habe.

Das Programmheft zum Finalspiel

Das Programmheft zum Finalspiel

Die Stimmung in etwa so wie im Stadio Communale von Turin. Wir schätzen es sind 30 bis 40 Tausend Italiener hier im Olympiastadion. Etwa 8 bis 10 Tausend Fans des HSV haben die weite Reise aus Deutschland angetreten. Alleine 20 Tausend Italiener sind mit dem Flugzeug gekommen. Die Fähren von Italien nach Griechenland waren wochenlang, monatelang vorher ausgebucht. Die Straßen waren verstopft. Und eine italienische Zeitung hat geschätzt, dass alleine die italienischen Fans etwa 50 Millionen D-Mark an Devisen nach Griechenland bringen. Der Schwarzmarkt hat geblüht. Viele sind ohne Karte gekommen. Angeblich sollen bis zu Tausend Mark gefordert und gezahlt worden sein für ein Ticket hier im Stadion. Außerdem sollen auch noch gefälschte Karten aufgetaucht sein, die angeblich in Italien gedruckt worden sind. …

4 Millionen D-Mark Gesamteinahmen aus dem Spiel

Egal, das Stadion ist voll. 73 Tausend Karten wurden verkauft. 80 Tausend Plätze hat man also. 7 Tausend Ehrenkarten wurden wohl vergeben. Es wird auf jeden Fall ein Spiel der Rekorde. Die Einnahme von den Zuschauern, dann Fernsehrechte, die Werbung hier im Stadion. Das alles läuft sich etwa zusammen auf 4 Millionen Mark, von denen jeder Klub, Juventus und der HSV, etwa eine Million Mark bekommen. Das Spiel wird in achtzig Länder, Sie haben richti.. richtig gehört, in achtzig Länder übertragen. Europa ist komplett live dabei. Auch Afrika zum Teil, Sudan, Elfenbeinküste, Südamerika, Chile und Brasilien. …

Und hier die ersten Brandfackeln der italienischen Fans

Der Favorit natürlich – hier sehen wir einmal ein Block mit Fans des HSV mit ihren blauen Fähnchen – Favorit natürlich Juventus Turin. Das Team der Superlative links in den schwarz-weiß gestreiften Trikots, sechs Weltmeister, dazu Platini vom WM-Vierten Frankreich und Boniek vom WM-Dritten Polen. Insgesamt – wenn man Bettega noch dazurechnet neun Nationalspieler bei der Juventus-Mannschaft. Boniek und Platini wurden ja für 6.5 Millionen Mark eingekauft. Juventus steht unter Erfolgszwang. …  Und hier die ersten Brandfackeln der italienischen Fans. Das kennen Sie, diese Bilder, ja auch von den Spielen des 1. FC Köln gegen die AS Rom. Juventus unter einem absoluten Erfolgszwang. Die Mannschaft verstärkt, das sagte ich. Sie sollte Meister werden, sie wollte Meister werden. Sie wurde aber nur Vize-Meister. Sie hatte Startschwierigkeiten sich einzuspielen und nun musste sie einfach den Europapokal holen. Das haben auch die italienischen Zeitungen geschrieben. Man verlangt von Trainer Trappatoni nichts anderes als den Titel. Vielleicht ist dies die Chance für den HSV, dass Juventus zu nervös wird. ….

Die Original-Wimpel des HSV - übergeben von Hrubesch an Scirea

Die Original-Wimpel des HSV - übergeben von Hrubesch an Scirea

Der Weg beider Mannschaften vielleicht noch einmal ins Finale. Der HSV – hier links in den roten Trikots – schaltete Dynamo Ost-Berlin aus, dann Olympiakos Piräus, Dynamo Kiew und Real San Sebastian aus Spanien. Juventus setzte sich durch gegen Hvidovre Kopenhagen, Standard Lüttich, den Titelverteidiger Pokalverteidiger Aston Villa aus England und Widzew Lodz aus Polen. … Nach sechs Jahren wird übrigens erstmals der Europapokalsieger der Landesmeister nicht aus England kommen. Drei Mal Liverpool, zwei Mal Nottingham Forest und im Vorjahr Aston Villa gegen Bayern München. So hießen die Europapokalsieger der letzten Jahre. Wollen wir hoffen, dass das Spiel ein bisschen torreicher wird als die Endspiele in den letzten fünf Jahren. Denn die gingen alle 1:0 aus. Auch die Spiele Nottingham gegen HSV und Aston Villa gegen Bayern München.

Die Kollegen des griechischen Fernsehens haben sich sehr angestrengt…

Der Schiedsrichter – im Moment nicht im Bild zu sehen – Nicolae Rainea aus Rumänien, ein Fifa-Schiedsrichter, 50 Jahre alt, der pfiff schon einmal, 1975, ein Uefa-Cup Spiel zwischen Juventus und dem HSV. Damals gewann Juventus mit 2:0, hoffentlich kein schlechtes Omen. … Eine letzte Zahl vielleicht noch: Auf dem illegalen Wettmarkt in Italien ist Juventus der eindeutige Favorit. Insgesamt sollen 150 Millionen Mark – das muss man sich einmal vorstellen – dabei umgesetzt worden sein. … Das ist Bonini der blonde Herr, hier Boniek, Bettega mit den grauen Haaren. Juventus also in schwarz-weiß. Bianconeri heißen sie. Und der HSV in rot von links nach rechts. Die Kollegen des griechischen Fernsehens haben sich übrigens sehr angestrengt. Sie haben die sensationelle Zahl von elf Kameras im Stadion. Und sie werden versuchen, uns von jeder… von jedem Höhepunkt nach Möglichkeit drei Zeitlupen zu geben.

Warum rufen die dauernd Uwe-Uwe hier im Stadion?

Der HSV hat Anstoß. Spielt zunächst einmal gegen den Wind. Und die Frage ist: Wer kann Michel Platini ausschalten? Wer wird sich dieser Aufgabe annehmen? Wir nehmen an, dass das Jürgen Groh sein wird. …. Wehmeyer … Und hören Sie diese Kulisse? Juuuve, Juuuve … Es wurde vorhin ein bischen gefrotzelt von den deutschen Journalisten: “Warum rufen die dauernd Uwe-Uwe hier im Stadion? Der spielt doch gar nicht mehr.” Also das Stadion eindeutig hinter der Mannschaft von Juventus Turin. Auch die griechischen Fans werden wohl auf der Seite der Italiener sein. … Jakob … Hieronymus. … Magath … Foul an Gentile, die Nummer 2. Den Namen Claudio Gentile – hier ist er –  kennen Sie ja.  Er hat den Beinamen “der Schlächter”, weil er seit Jahren ziemlich hart, manchmal überhart spielt. Viele deutsche Spieler haben das ja schon hinnehmen müssen. … Michel Platini, die 10. ….

Der einzige Torschütze des Spiels: Felix Magath. Autogrammkarte aus der Spielzeit 1983.

Der einzige Torschütze des Spiels: Felix Magath. Autogrammkarte aus der Spielzeit 1983.

Ich hoffe, dass der Ton gut ankommt in Deutschland. … Scirea, der Libero, er wird heute 30 Jahre alt. … Und Uli Stein zum ersten Mal in Aktion. … Manfred Kaltz, in der Bundesliga nach einem langen Winterschlaf mit einer Leistungssteigerung. Hoffen wir, dass sie heute weiter anhält. … Groh. Boniek greift ihn an. … Bastrup … Einwurf für den HSV … Magath … Bettega und Boniek. … Aber zu steil für Roberto Bettega. … Wehmeyer … Schön gesehen von von Milewski auf Rolff. … Milewski … Magath … Wehmeyer … Lars Bastrup geht viel auf die rechte Seite. Und dadurch ist natürlich links dann der Platz für Offensiv-Vorstöße von Bernd Wehmeyer. … Michel Platini, viereinhalb Millionen hat er gekostet, der Mann von St. Etienne. … Boniek … Groh … Schön, Hrubesch, Bastrup … Sicher gab Trainer Ernst Happel Bastrup auch deshalb den Vorrang, weil er so eine Art Mister Europacup ist des HSV. Hatte ja maßgeblichen Anteil, dass der HSV ins Halbfinale kam, als er drei Tore bei Dynamo Kiew schoss.

Schüsse aus dieser Distanz hat der HSV hier gestern Abend geübt

… Cabrini … Bettega … Wehmeyer, ob sie ihm weiter so viel Platz lassen? … Milewski … Und die erste Ecke für den HSV. Das ist übrigens Brio, der Gegenspieler von Horst Hrubesch, ein Riese, 1.92. … Vor Hrubesch haben sie am meisten Angst gehabt. Das war auch deutlich aus den italienischen Zeitungen zu entnehmen. … Jakobs … Schön gemacht. … Cabrini … Boniek … Tardelli … Bettega…  uuund …  Uli Stein. … Die Wiederholung, die Flanke von Tardelli. Und ein unglaublich gefährlicher Kopfball von Bettega. Und die erste grosse Rettungstat von Uli Stein. … Das ist Zbigniew Boniek. Der Pole aus Lodz. … Und …. Groth. … Mit Händen und Füssen musste sich Horst Hrubesch da eben wehren gegen einen Italiener. Und zum ersten Mal Dino Zoff. … Magath … Wieder Magath … Hieronymus … Magath. Schüsse aus dieser Distanz hat der HSV hier gestern Abend geübt. Tooor! Tooor! Felix Magath. 1:0. Neunte Spielminute. … Das war gar nicht einmal so ein harter Schuss wie sie der HSV gestern Abend geübt hat. Das war ein raffinierter Heber. Und da sah Dino Zoff überhaupt nicht gut aus. Hervorragend gemacht, Felix Magath. Da strahlt er. Sein zweites Tor in diesem laufenden Wettbewerb. Da sehen wir’s uns nochmals an, weil es so schön war. Wunderschön in die lange Ecke. Und 1:0 für den HSV. Und jetzt muss Juventus kommen. Das war das was sich der HSV gewünscht hat. Ein frühes Tor, damit Juventus aufmachen muss, kommen muss. …

Auf Youtube kann man sich die gesamte ZDF-Übertragung des Spiels ansehen, aufgeteilt in zwei Halbzeiten. Die Stehplatzhelden suchen noch weitere Fußball-Kultur-Interessierte, die gemeinsam die gesamte Fernseh-Übertragung dieses historischen Spiels des HSV transkribieren und daraus eventuell ein Booklet produzieren. Wer Interesse hat an diesem Projekt mitzuwirken, meldet sich bei
thomas@stehplatzhelden.de

1. Halbzeit:

2. Halbzeit: