11 Freunde müsst ihr sein. Egal, woher ihr kommt.
Fußballkommentatoren sind manchmal lustige Gesellen. Und damit meine ich jetzt weder den stammwitzigen Ulli Potofski noch den tatsächlich humoristisch immer wieder wertvollen Wolff Fuss. Heute geht es um Holger Pfandt, der sich gestern komödiantisch hervortat. Im Rahmen seiner ansonsten unauffälligen Verbalbegleitung des schneetreibengewürzten David-gegen-Goliath Duells von Hannover 96 gegen Anschi Mahatschkala brach es zwischendurch spöttisch aus ihm heraus. Was denn der Herr Capello auf den niedersächsischen Rängen machen würde. Der stets gut frisierte Italiener, seines Zeichens frisch gebackener Nationaltrainer Russlands, hätte ja mal eben einen (tatsächlich) unterdurchschnittlichen Torhüter sowie zwei Außenverteidiger zu bewundern, der Rest der kanariengelben Truppe sei ja aus der gesamten Welt eingekauft, nur eben nicht aus Putins Reich. Dieses tütete Pfandt dann in den zum Thema passende Oligarchendiskurs, da ja nur von Ölmilliardären zusammengeshoppte Alimentierungsmaschinen über diesen internationalen Personalschlüssel verfügen. Was der Herr Moderator dabei versäumte, und was seine Einlassungen zum Schmunzelmaterial für den aufmerksamen Beobachter machte, war der Umstand, dass die vor Integrität überquellende Lokalkraft aus Hannover ebenfalls gerade mal drei Spieler in der Startelf hatte, die au’ für den Löw-Jogi von Interesse wären: Zieler, Schmiedebach, Schulz. Wenn man großzügig ist, nimmt man noch ein Bein vom Deutschportugiesen Sergio “ich möchte jetzt auch da Silva heißen” Pinto dazu. Macht 3,5 deutsche Spieler. Ist Hannover 96 also ein Klub des Ohrmuscheloligarchen Martin Kind? Ja und nein, aber das ist eine andere Geschichte.
Nun steht es zu bezweifeln, dass man dem Oligarchenärgernis rhetorisch mit einer Schelte beikommt, die sehr an deutschtümelnde Überfremdungsdiskurse aus den 90ern erinnert. Ich erinnere nur an den Quatsch bezüglich der Osteuropäer bei Energie Cottbus. Die Internationalität sämtlicher Spitzenvereine (also alles ab Liga 2 aufwärts) ist, ob man es mag oder nicht, längst Realität – und dient gerade kleineren Vereinen dazu, mithalten zu können. Insofern sollten wir uns vielleicht doch besser auf die Finanzstrukturen von Unvereinen wie Anschi Mahatschkala konzentrieren, wenn wir diese kritisieren und vor allen Dingen ihre problematische Rolle im Wettbewerbsfußball beleuchten wollen. Ich erinnere nur an die scheinbar nicht sonderlich konsequent umgesetzte Mär vom Financial Fair Play. Ganz zu schweigen von der schönen Anekdote, dass der Verein aus der Krisenregion Dagestan seine ausnehmend gut bezahlten Fußballer in Moskau leben, trainieren und international spielen lässt, während die Mannschaft für HEIMspiele einen mehrstündigen Flug gen Süden buchen muss. Um dann nach 90 Minuten auch schon wieder in Richtung Moskva abzudüsen. Ohne Worte, aber dafür mit ganz viel Scheinen im Flugsitzkopfkissen.
Ja, bedenklich ist hier vor allem die Entwurzelung eines solchen aus dem Boden gestampften Vereins. Er ist dann nur noch ein Spielzeug für den Eigentümer, aber ohne Interesse für eine breitere Masse.
Was das Financial Fair Play betrifft, müssen wir noch etwas warten – aus Wikipedia:
“Die aufgeführten Regeln sollten ursprünglich ab der Saison 2013/2014 gelten. Die Einführung wurde im März 2010 durch die UEFA und European Club Association (ECA) auf 2015 verschoben.”
Als Energie Cottbus in ihrer Bundesliga-Zeit das erste Mal mit 11 Ausländern auf dem Platz stand, mussten sich die Lausitzer Vorwürfe anhören, sie hätten einen seelenlosen Haufen zusammengekauft. Wenn man jedoch Miroslav Piplica & Co. heutzutage in Interviews über Ihre Cottbuser Jahre sprechen hört, dann muss man ganz klar sagen: Vermutlich hatte diese osteuropäisch geprägte Mannschaft eine höhere Identifikation mit Verein, Stadt und Region, als es jede Elf von Bayern München in den letzten 20 Jahren für sich behaupten kann.
der blick in den rückspiegel ist halt doch manchmal der schärfere.