Gebrauchsanweisung für die Trainerentlassung, Version “Blitz aus heiterem Himmel”
Sie kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Manchmal früher, manchmal eben erst bei herbstlichen Temperaturen: Die erste Trainer-Entlassung. Während es vor gut einer Woche in der 1. Bundesliga den ersten Rauswurf gab, ist die Schweiz in dieser Statistik wesentlich weiter: Bereits vier Wechsel sind bei den helvetischen Übungsleitern zu verzeichnen – dies bei einer Liga, die nur zwölf Mannschaften zählt, allerdings auch sechs Wochen früher gestartet ist als in Deutschland. Der FC Sion (bereits zwei Mal!), der FC Luzern und zuletzt der FC Basel haben sich jeweils von Trainern getrennt. Die Geschehnisse bei Basel lohnen sich einer näheren Betrachtung, denn sie sind einzigartig in ihrer Form.
Was sich in der Fusball-Hauptstadt der Schweiz abgespielt hat, ist die Trainerentlassung Version “Blitz aus heiterem Himmel”. In der Länderspiel-Pause gab der FCB bekannt, dass Heiko Vogel per sofort freigestellt werde, eine faustdicke Überraschung. Der Vorgang kam derart aus dem Nichts, dass die Vereinsführung kommunikativ in Bedrängnis kam. “Das war ein Schock! Wir sind alle sehr traurig”, wurde Mannschafts-Captain Marco Streller am selben Tag zitiert. Fussball-Journalisten twitterten hilflos die unerwartete Botschaft raus und probierten die Geschehnisse einzuordnen. Der Betroffene, Heiko Vogel, verabschiedete sich von der Mannschaft und tauchte dann komplett ab. Den fragenden Journalisten antwortete er per SMS: “Es war mir eine Ehre, für den FCB zu arbeiten. Ich bitte um Verständnis, dass ich momentan nicht zur Verfügung stehe.”
Da sich der Präsident Bernhard Heusler in den ersten 24 Stunden nach Bekanntwerden sehr defensiv verhielt, schossen Spekulationen in alle Richtungen. Was hat sich hinter den Kulissen ereignet? Warum lässt man nun den Mann fallen, über den Heusler bislang nur lobende Worte fand? Vogel war im Oktober 2011 vom Assistenz- zum Cheftrainer befördert worden, nachdem es Thorsten Fink Richtung Hamburg zog. Und er hat seine Arbeit sehr erfolgreich verrichtet. Der FCB gewann unter ihm im Frühjahr den 15. Meistertitel der Clubgeschichte, er führte die Mannschaft zum Cup-Gewinn. Und schliesslich gewann der FCB unter ihm wichtige Spiele in der Champions League gegen Manchester United oder Bayern München. Aber der Erfolg der vergangenen Saison ist heute nichts mehr wert. Das Geschäft dreht schnell. Es zählt nur noch das Jetzt. Und der FC Basel hat zum ersten Mal seit drei Jahren die CL-Qualifikation nicht erreicht und ist auch sehr verhalten in die Saison gestartet (Platz 4). Verloren hat die Mannschaft unter ihm in den letzten zwölf Monaten lediglich ein knappes halb Dutzend mal. Reicht dies für den Rauswurf?
Im Nu entwickelte sich im Internet eine Dynamik unter den FCB-Fans, die den Rauswurf von Vogel nicht verstehen konnten. Denn der Rothaarige war bei den Anhängern durch seine bodenständige Art sehr beliebt. Es bildeten sich Pro-Vogel Facebook-Gruppen und die Basler Zeitung breitete das Thema Trainerentlassung am Folgetag auf drei Sonderseiten aus. Doch selbst noch Tage später konnte die Öffentlichkeit die wahren Beweggründe für den Rauswurf nicht vollends verstehen.
Darum ging FCB-Präsident Heusler in die Offensive und gab lange Interviews: Zuerst beim Lokal-Fernsehen “Tele Basel” (siehe http://www.telebasel.ch/de/tv-archiv/&id=366808308) und am folgenden Samstag dann in der Wochenendausgabe der NZZ (siehe http://www.nzz.ch/aktuell/sport/fussball/das-fundament-reichte-nicht-mehr-1.17699673). Hier eine der wichtigsten Aussagen aus dem Interview: “In erster Linie trennten wir uns von ihm, weil die Entwicklung und teilweise der Führungsstil nicht mehr dem entsprachen, was wir nötig finden angesichts der Herausforderungen in der neuen Saison. Das Gesicht der Mannschaft veränderte sich im Sommer, wir wurden internationaler. Gewisse Sachen reichen nicht mehr, der Anspruch ist anders als etwa letzten Herbst, die Mannschaft ist komplex.”
Und dann greift der Journalist ein spannender Punkt auf: Hat ein FCB-Fan ein Recht, zu erfahren, warum sein Klub so etwas macht? Heusler Antwort: “Diese Frage beschäftigt mich sehr. Die Aggression, die sich an uns Entscheidungsträgern entlädt, gründet darin, dass Leute im persönlichen Informationsbedürfnis nicht befriedigt sind. Ein Fan oder ein Jahreskartenbesitzer findet, er habe ein Recht, zu wissen, warum so entschieden wird. Und solange ich in der Verantwortung bin, meine ich, entscheiden zu dürfen, ob ich das Interesse des Klubs und der Betroffenen oder das Informationsbedürfnis Einzelner höher gewichte. Ich muss den Klub schützen.”
Fazit: Heusler wollte eine öffentliche Diskussion über den Trainer gar nicht erst starten lassen, um einer Demontage Vogels vorzubeugen. Er hat dicht gehalten und die Medien – nicht wie anderswo üblich – mit gezielten Informationen gefüttert. Er wählte einen anderen Weg: Der Blitz aus heiteren Himmel – zum Schutz von Heiko Vogel und auch zum Schutz des Vereins.
PS: Nachfolger von Vogel wurde der vor einigen Wochen in Luzern entlassene Murat Yakin, ein Ur-Basler. Bisherige FCB-Bilanz unter dem neuen Trainer: Zwei Niederlagen und zwei Siege.
Interessanter Punkt ist generell: Wie viele Rechte können die Fans einfordern? Ob auf Information oder sogar Mitsprache. Bei HSV werden die vielen Einflüsse von aussen ja oft als Grund dafür angeführt, dass eine Kontinuität entsteht.
Konkret bei dieser Entlassung scheint mir ein Verschweigen der Hintergründe eher Gefahren für Trainer und Verein zu birgen: Die wuchernden Spekulationen sind womöglich dramatischer als der wahre Grund – Erfolglosigkeit (wobei man hier natürlich streiten kann, ob Vogels Arbeit zu wenig Erfolg hatte).