Textilvergehen 2.0: Trikotgestütztes Phrasendreschen

Flo 15. Mai 2012

An den Anblick von sechs Rauls, drei Ballacks und vier Lalas auf dem Feld hat man sich dieser Tage ja schon gewöhnt. Es gehört wohl schlicht zum guten Ton der Liga im Sommer 2012, dass die Profis zur Verabschiedung ihren Nachwuchs mit aufs Feld nehmen. Und gleich passend in das eigene Trikot kleiden (was unter anderem sehr viel über das solare Selbstverständnis von Fußballprofis aussagt).

Zurzeit grassiert aber auch noch eine weitere Modeerscheinung. Diese hat allerdings weniger mit der Präsenz von Rückennummern, als vielmehr mit dem Verzicht darauf zu tun. Nachdem Herr Raul Gonzalez Blanco de la Cruz Cardinal (Name von der Redaktion geändert) seine verdiente Karriere von 2, in Worten ZWEI Spielzeiten beim FC Schalke beendet hat, und in dieser Zeit dem Verein sicherlich wie kein zweiter vor oder nach ihm den Stempel aufgedrückt hat, kam von den Altvorderen des Clubs die einzig konsequente Entscheidung. Aus Respekt vor dem langjährigen Angestellten wird die Trikotnummer 7 in Zukunft nicht mehr vergeben. Auf die gleiche Idee kam auch der 1. FC Köln, nachdem ihm der (im Gegensatz zu Raul tatsächlich mit dem Verein eng verbundene) Spieler mit der Rückennummer 10 abhanden gekommen war. Auch diese Nummer wird in Köln nun nicht mehr vergeben. Es sei denn, dass Herr Podolski eines Tages nach Köln zurückkehrt (Was ihm wahrlich nicht zu wünschen ist, selbst wenn eine exklusive Trikotnummer auf ihn wartet). Macht die Praxis von Schalke und Köln Schule, so wird es in Zukunft schwierig, dass Trikots im zweitstelligen Bereich nummeriert werden können.

So bleibt es dann auch schleierhaft, was Sinn und Zweck dieser ebenso hysterischen wie historischen Überhöhung von einzelnen Spielern ist. Selbst ein Verein wie Hannover 96 hat sich nach anfänglich gegenteiliger Aussage nur ein halbes Jahr nach Robert Enkes Selbstmord dazu entschieden, die Rückennummer 1 wieder zu vergeben, und wurde damit wohlgemerkt von niemandem als pietätlos empfunden. Scheinbar hat man in diesem Fall einfach begriffen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist, der sich in ständiger Bewegung befindet, gerade was die einzelnen Spieler anbetrifft. Und da mag dann ein Spieler mit genau einer Rückennummer verbunden werden, aber sicherlich nicht eine Rückennummer mit genau einem Spieler. Vielleicht sollten sich die emotional chronisch überhitzten Vereine an Rhein und Ruhr in Zukunft etwas gründlicher überlegen, ob sie pathetische Emotionen und Personenkult durch ihre Vergabepraxis von Oberteilen schüren wollen. Es wäre der Liga und dem Fußball zu wünschen.