Fußballschuhe: Bunt und seelenlos

Tim 19. November 2011

Bis Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts war ein Fußballschuh noch das: oben Leder, unten Gummisohle, ganz unten Alustollen. Bescheidenen Glanz verliehen mitunter drei schlichte weiße Streifen oder ein aufgedrucktes “Kaiser” – mehr nicht. Die Schuhe waren ein Spiegelbild des damaligen Fußballs: schnörkellos, bodenständig, authentisch.

Das Bild unten zeigt eine Aufnahme aus der aktuellen Saison 2011/2012, Imtech-Arena, HSV gegen den 1.FCK. Auf dem Platz 22 Spieler, mit ihnen 44 Füße und 4 Fußballschuhe. Jedenfalls nach der Beschreibung eines Fußballschuhs oben. Doch diese gilt im Jahr 2011 nicht mehr. Lediglich einige unverbesserliche Nostalgiker wie beispielsweise der Hamburger Torhüter Jaroslav Drobny tragen noch einfache Lederschuhe. Zwanzig andere Spieler auf dem Platz haben sich für quietschbunte, mutmaßlich von Raketenwissenschaftlern unter größten Anstrengungen entwickelte “Total90 Laser III FG” (Nike), “F30 TRX FG energy” (Adidas) oder vergleichbare Produkte anderer Hersteller entschieden. Gemein haben diese Schuhe, dass das Leder durch “abriebfestest” Synthetikmaterial ersetzt wurde, statt den runden Stollen nun ein komplexes Muster aus unterschiedlich geformten Plastiknarben “nie dagewesene Highspeed Dribblings” ermöglicht und die Produktdesigner bei der Farbgestaltung kollektiv auf LSD gewesen sein müssen. Auch diese Schuhe spiegeln den Fußball ihrer Zeit wieder, der oft von Schein statt Sein dominiert wird, in dem Selbstdarateller wie Christiano Ronaldo mehr Respekt erhalten, als sich für das Team aufreibende Mannschaftsspieler, in dem die mediale Berichteerstattung mehr auf Skandale und Effekthascherei ausgelegt ist, als auf fachlich wertvolle Reportagen.

Imtech-Arena, Hamburger SV vs. 1.FC Kaiserslautern

Imtech-Arena, Hamburger SV vs. 1.FC Kaiserslautern

Doch soll man deshalb verzagen? In der Vergangenheit schwelgen, als ein Fußballschuh nur Arbeitsmaterial und nicht Lifestyleprodukt war? Ja, soll man – aber nur kurz. Denn dann würdem einem wohlmöglich wohl auch die nicht ganz so schönen Dingen der “guten alten Zeit” in den Sinn kommen. Minipli, Schnauzer und weite, zugige Betonschüssel-Stadien lassen grüßen. Dann doch lieber Produktdesigner auf LSD.