Keine Gesichtserkennung im Stadion! Fans gegen Überwachung 2.0 beim Fussball
Schon am letzten Spieltag sorgte der Versuch eines verzweifelten Hoffenheimers für Aufsehen, die Schmähgesänge der Gästefans aus Dortmund gegen Dietmar Hopp durch hochfrequente Störgeräusche zu bekämpfen. Eigentlich erstaunlich, dass die Attacke von Hoffenheim überhaupt aufgefallen ist. Denn die nervtötende Dauerbeschallung aus den Stadionlautsprechern gehört schon längst zum Event „Bundesliga“ dazu (anders übrigens in England) und ist selten angenehm. Die Staatsanwaltschaft sollte deshalb auch gleich in anderen Stadien wegen Körperverletzung ermitteln: „Right said Fred“ dürfte für einen Anfangsverdacht bezüglich einer hierfür erforderlich körperlichen Mißhandlung genügen. Aber das ist ein anderes Thema.
Gesichtserkennung bei Live-Aufnahmen von Fussball-Fans
Denn noch nicht gewöhnt haben wir uns an eine umfassende Videoüberwachung mit Gesichtserkennung im Stadion. Diese könnte aber bald zur Normalität werden, zumindest was den Stand der Technik angeht. Vor kurzem sollte sogar ein erster Praxistest im Karlsruher Wildparkstadion durchgeführt werden. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hatte eine entsprechende Anlage entwickelt und war bereits dabei, diese im Stadion des KSC zu installieren. Bei dem geplanten Test hätten alle Besucher eines Eingangs gefilmt und mit Eintrittskarten versorgte Testpersonen des KIT mit Hilfe einer Software erkannt werden sollen. In Zukunft soll die Technik dann dafür eingesetzt werden, mit Stadionverbot belegte Randalierer besser aufspüren zu können.
Fans stoppen den Feldversuch
Aufgrund von Protesten der KSC-Fans kam es jedoch nicht zu dem geplanten Feldversuch beim Heimspiel gegen Alemannia Aachen. Die KSC-Verantwortlichen wollen von allem nichts gewusst haben, während das KIT von klaren Absprachen mit der KSC-Teppichetage berichtet. Ein guter Grund für den Rückzieher ist schon das Fehlen eines entsprechenden Gesetzes, das als Legitimation für eine solche Maßnahme erforderlich wäre – wie auch der Hessische Datenschutzbeauftragte “auf den ersten Blick” erkannte. Damit liegt der Einsatz der technisch durchaus interessanten Technik des KIT zunächst einmal auf Eis.
Dauerüberwachung mit wenig Nutzen
Trotzdem wird der Einsatz einer automatischen Gesichtserkennung spätestens bei den nächsten größeren Fan-Krawallen ein Thema werden. Was kann damit erreicht werden? Allenfalls die effektivere Durchsetzung verhängter Stadionverbote; ob aber auch Gewalttaten im Fanumfeld tatsächlich verhindert werden können, erscheint äußerst fraglich, da zum einen nur Serientäter von Spielen ausgeschlossen werden können und zum anderen sich die Gewalt dann eben vor das Stadion verlagert. Auf Seiten der betroffenen Fans geht die Erkennung und Verfolgung in Echtzeit hingegen in eine neue Dimension der Überwachung, die wir bisher nur aus Fiktionen wie Orwells 1984 kannten. Es steht also ein relativ überschaubarer Nutzen einem massiven Eingriff in Freiheitsrechte gegenüber. Einer solchen Entwicklung sollte generell entgegengetreten werden – und wenn es Fußballfans sind, die den ersten Schritt tun: Umso besser!
Aufruf der KSC-Fans
Ich kann mich deshalb nur dem durchaus reflektierten und natürlich nicht an Pathos fehlenden Aufruf der “Supporters Karlsruhe 1986″ anschließen, in dem es unter anderem heisst:
Dazu sehen wir auch die Gefahr, dass dies alles nur der Anfang eines groß angelegten Überwachungs-Netzwerks ist, welches es in naher Zukunft möglich machen könnte, JEDEN freien Menschen an jedem Ort aufzuspüren.
Ach ja, und: Keine Beschallung mehr im Stadion!
“Wehret den Anfängen” – auch hier muss man wohl dieses Zitat wieder aus der Mottenkiste holen. Denn trotz Pathos und dem Beigeschmack, dem einen oder anderen kriminellen Fan ein Schlupfloch mehr zu bieten, muss man der videogestützten Gesichtserkennung in Stadien von vorherein eine Absage erteilen. Es wäre ein weiterer Schritt in Richtung ausgefeilter Bewegungsprofile.
Grundsätzlich muss man hier die Frage der Verhältnismäßigkeit stellen: Automatische Gesichtserkennung von 50.000, um evtl. darunter einen Täter aufzuspüren, der beim letzten Stadionbesuch bengalische Fackeln dabei hatte? Für meinen Geschmack ein eindeutiges Ungleichgewicht, dass juristisch nur schwer zu begründen wäre.
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