FIFA-Präsident Blatter: Der Berlusconi der Fußballpolitik

Tim 15. Mai 2011

“Sie erhalten einen unbegrenzten Vorrat an Weißwürsten und soviele Kuckucksuhren, wie Sie tragen können, wenn Sie bei der Wahl für den Austragungsort der Fußball-WM 2006 für Deutschland stimmen.” So oder so ähnlich stand es auf dem bewusst diletantisch gestaltetem Zettel, den damals ein paar gewitzte “Titanic”-Redakteuere ausgewählten Deligierten in der Nacht vor der Wahl des Austragungsorts unter der Hotelzimmertür durchschoben. Die Aufregung war groß, doch verflog sie so schnell wie sie gekommen war, als klar wurde, dass es nur ein Scherz des Satiremagazins war (abgesehen von den weit über den rechten politischen Rand hinausragenden Drohanrufen, in denen die Redaktion noch wochenlang nach der Aktion auf dem Anrufbeantworter des Vaterlandverrats beschuldigt wurde).

Bei Blatter ist es ernst

Ob sich der Wirbel um Sepp Blatter, den Präsidenten der mächtigsten Sportorganisation der Welt, der FIFA, diesmal auch so schnell legt wie damals bei der “Titanic”-Provokation, ist mehr als fraglich. Ausgerechnet aus dem Mutterland des Fußballs werden schwere Vorwürfe erhoben, dass die jüngste Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 nach Quatar und 2022 nach Rußland von massiver Manipulation begleitet worden sei. Mindestens sechs Deligierte aus verschiedenen Mitgliedsverbänden der FIFA sollen bestochen worden sein und so die Wahl der beiden, na sagen wir mal zumindest “Außenseiter-Kandidaten” erst möglich gemacht haben. Und in mitten aller Gerüchte, Vermutungen und Anschuldigungen taucht immer wieder ein auf: Sepp Blatter.

Dass der FIFA-Präsident ein starker verfechter beider Länder war und sich mit Nachdruck für ihre Wahl stark gemacht hat, ist kein Geheimnis. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Blatter mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert wird. Doch bislang konnte er immer Schaden an seiner Person abwenden, was nicht für seine Weggefährten galt: hier ließ Blatter immer wieder Köpfe rollen, um Bauernopfer zu liefern und der rumohrenden Öffentlichkeit Futter zu geben.

Wiederwahl Blatters gefährdet

Aber diesmal treffen den Schweizer die Bestechungsvorwürfe zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt, denn die Wahl des FIFA-Präsidenten steht vor der Tür. Und natürlich will Blatter seine Position behaupten und weiter den Sonnenkönig der Fußballwelt miemen. Es bleibt abzuwarten, ob der Kelch auch diesmal an ihm vorbeigeht oder ob der asiatische Gegenkandidat von den Gerüchten um den Manipulationssumpf profitieren und Blatter stürzen kann.

Doch wahrscheinlich wird es der allmächtige Schweizer erneut seinem politischen Pendant Silvio Berluaconi gleichtun: vorne herum lächeln und gute Miene zum bösen Spiel machen; hinter den Kulissen sein enges Geflecht aus Seilschaften nutzen, um die Geschehnisse zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Auch sonst haben die beiden Brüder im Geiste einiges gemeinsam. Beide nutzten ihre Machtposition wiederholt aus, um sich und ihren Spetzis Vorteile zu verschaffen. Beide legen Gesetze und Regularien gerne zu ihren Gunsten aus oder fühlen sich nicht an sie gebunden. Beide lassen keine Gelegenheit aus, um sich im Blitzlichtgewitter zu sonnen. Und zu guter letzt teilen beide…die Frisur.

Eine Ära, die zu Ende gehen muss

Es ist an der Zeit, dass sich die FIFA wieder auf ihre Vorbildfunktion besinnt und als Weltfußballverband die Werte des fairen Sportgeists vorlebt. Ein Präsident mit einem Führungsstil nach Gutsherrenart ist dafür mehr als ungeeignet. Die Ära Sepp Blatter muss zu Ende gehen. Deshalb kann man nur hoffen, dass die aktuellen Untersuchungen zu den Bestechungsvorwürfen einen Wechsel an der FIFA-Spitze forcieren. Nur der rechte Glaube fehlt. Denn eins haben Blatter und Berlusconi noch gemeinsam: mögen die Vorwürfe über die Jahre noch so skandalös und der öffentliche Druck noch so groß gewesen sein, beide haben ihre “Qualitäten” als politische Steh-auf-Männchen mehrfach unter Beweis gestellt.

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