Neue Besen kehren spät

Tim 12. September 2010

Da war es wieder: Das berühmte Dezemberfieber griff Ende letzten Jahres in Deutschland erneut um sich. Kaum eine Behörde oder Dezernat, dass nicht schnell am Ende des Jahres noch einmal “ganz wichtige und lange überfällige” Investitionen anschob, sei es die Erneuerung eines vor drei Jahren angelegten Fußgängerwegs oder aber der Neuanstrich einer Autobahnbrücke von unten. Hauptsache, die im Etat vorgesehenen Gelder wurde auch tatsächlich ausgegeben, damit ja keiner auf die Idee käme, man bräuchte in der Zukunft weniger Budget.

Ganz so ist es im Profifußball nicht. Allerdings ist hier ein anderes Fieber regelmäßig zu beobachten: das Transferschlussfieber. Jedesmal wenn sich das Zeitfenster einer Transferperiode schließt, geraten Vereinspräsidenten, Manager und Spielerberater – würde Bodo Ilgner noch spielen, dürfte in dieser Aufzählung auch der terminus technicus “Spielerfrauen” nicht fehlen – in rege Betriebsamkeit. Vereine fühlen sich genötigt, noch einmal bei der Resterampe zuzuschlagen – teils getrieben durch den vom lokalen Blätterwald geschürten Erwartungsdruck, teils durch die Hoffnung, ein echtes Schnäppchen zu machen und den zukünftigen Weltstar zu verpflichten. Auf der anderen Seite stehen unzufriedenen Spieler, die nicht auf der Ersatzbank versauern wollen und ihren Beratern Dampf machen, sie möglichst zu einem Topclub zu transferieren. Doch statt des erhofften Durchmarsches macht sich nicht selten zunächts Ernüchterung breit.

“Er ist ein Spieler mit Persönlichkeit und wird uns ganz sicher weiterbringen. Denn er kommt mit einem Rucksack voller Erfolge und hat viel Erfahrung.” (Christian Gross über Camoranesi)

Aktuelle Beispiele in der Bundesliga gibt es viele

Der VFB Stuttgart will seine verpatzte Kaderplanung im Vorfeld der Saison auf den letzten Transfermetern wett machen und verpflichtet kurz vor Schluss den italienischen Altstar Mauro Camoranesi sowie Mamadou Bah von Racing Straßburg. In der Folge verlieren die Schwaben das Südwestderby beim SC Freiburg mit 1:2, Camoranesi trägt seinen Rucksack voller Erfolge und Erfahrung 60 Minuten über den Platz, die fehlende Bindung zur Mannschaft ist aber nicht zu übersehen.

Der Meister von 2009, der VFL Wolfsburg, war bereits vor dem ersten Spieltag ausgesprochen aktiv auf dem Spielermarkt. Dennoch haben die Niedersachsen noch einmal zugeschlagen und kurz vor Toreschluss doch noch den ehemaligen Bremer Spielmacher Diego von Juventus Turin losgeeist. Die dafür nötigen geschätzen 17 Mio. Euro zahlt Manager Dieter Hoeneß aus der (VW-)Portokasse. Die Qualitäten des Brasilianers sind unbestritten. Doch trotz seines Tores im Spiel gegen Mainz fällt auf, dass das sportlich durchwachsene Jahr in Italien und das Hin und Her im Transferpoker nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Die Bilanz seit der Ankunft Diegos in Wolfsburg: 0 Punkte, 3:6 Tore.

Ach ja, und dann ist da ja noch Schalke. Nicht dass Felix Magath mit seinem schon vor dem Saisonstart komplett umgekrempelten Team genug Integrationsarbeit zu leisten hätte. Im Finale der Transferperiode angelten sich die Gelsenkirchener nicht nur Jan-Klaas Huntelaar vom AC Milan, sondern legten mit Jose Manuel Jurado noch einen oben drauf und überwiesen per Eilauftrag 13 Mio. Euro an Atletico Madrid. Der holländische Nationalspieler deutete seine Klasse im Spiel bei der TSG Hoffenheim an, verhindern konnte er die verdiente Niedelage nicht. Und Jurado? Grade einmal 11 Minuten durfte der Spanier am Spielgeschehen teilnehmen – bevor ihm Felix Magath die volle Distanz zutraut, muss der Ex-Madrilene sicher noch die ein oder andere Medizinballübung über sich ergehen lassen.

Transfers aus Selbstzweck

Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass sich über die Zeit die hinzugekaufte Qualität bezahlbar machen wird und die Last-Minute-Stars sich in ihren neuen Clubs durchsetzen werden. Doch kurzfristig können Sie den Vereinen nicht weiterhelfen. Die Eingewöhnung in ein neues Umfeld und das Aufholen etwaiger Trainingsrückstände erfordern Zeit. Und für ein harmonisches Zusammenspiel mit neuen Mitspielern ist mehr nötig als zwei gemeinsam Trainingseinheiten, häufig sogar mehrere Spiele unter Wettkampfbedingungen.

Tulpengeneral van Gaal konnte sich auf die Frage, warum er denn so gut wie keine neuen Spieler geholt hätte, einen Seitenhieb in Richtung Ruhrgebiet nicht verkneifen. Er sei kein Freund ständiger Wechsel und würde Transfers nicht der Transfers wegen durchführen. Der Blick nach Schalke oder aber auf die Insel zu Manchester City gebe ihm Recht, so der Holländer.

So bleibt wohl auch diese Saison nur eins für Verantwortliche und Fans: Geduld haben und fest daran glauben, dass vielleicht beim nächsten Transferfenster endlich der Befreiungsschlag gelingt.