Fan-Randale im Fußball: Hirn- statt Waffenkontrollen

Tim 8. Januar 2012

Ein Plädoyer für einen gewaltfreien Fußball und gemeinschaftliches Engagement gegen Krawallmacher

Die Ereignisse sollen nur in wenigen Worten zusammengefasst werden, mehr sind sie nicht wert: Ein Lübecker- und HSV-Mob auf der einen und St.Pauli-Gruppierungen auf der anderen Seite (auf den Begriff “Fan” wird an dieser Stelle bewusst verzichtet) haben sich bei einem Hamburger Hallenturnier so lange gegenseitig provoziert, bis die aufgestachelte Stimmung in gewalttätigen Auseinandersetzungen gipfelte. Die Bilanz: 74 Festnahmen, 49 Verletzte, 6 davon schwer sowie der Abbruch des Turniers.

Die Frage, die sich einem aufdrängt, lautet: Geht’s noch??? Wo sind wir denn inzwischen angelangt, dass sich ein paar Hohlköpfe schon bei einem völlig bedeutungslosem Winterpausenkick auf Linoleum die Schädel einschlagen?

Wo sind wir denn inzwischen angelangt, dass sich ein paar Hohlköpfe schon bei einem völlig bedeutungslosem Winterpausenkick auf Linoleum die Schädel einschlagen?

Doch die Geschehnisse passen zu einer Entwicklung, die Funktionäre und Verantwortliche bislang zu gerne als ein Problem der unteren Spielklassen abgetan haben: Ausschreitungen gewaltbereiter Personen, die das Fußballspiel als Anlass und das Stadion als Bühne missbrauchen, gehören in Deutschland fast schon zum Alltag.

Bereits im vergangenen Jahr wurde deutlich, dass die Aggression auf den Rängen auch in den Deutschen Profifußball schleichenden Einzug nimmt. Belegbar z.B. durch die Aktion einiger Krawallmacher von Eintracht Frankfurt, die sich weniger um den Verbleib ihrer Eintracht in der Bundesliga Sorgen zu machen schienen, als sich selbst auf einem Plakat als “Deutsche Randalemeister 2011″ zu feiern. Oder aber durch das an Dummheit nicht zu überbietenden Verhalten der Mehrheit (jawohl, nicht einer Minderheit) der mitgereisten Dresdner beim DFB-Pokalspiel von Dynamo bei Borussia Dortmund, als diese unzählige Bengalos abbrannten, Sitzschalen anzündeten und mehrfach einen Spielabbruch provozierten.

Man kann also konstatieren, dass die zunehmende Gewaltbereitschaft kein Problem des Amateurfussballs alleine und auch nicht nur auf eine Hand voll Chaoten beschränkt ist, die mehr mediale Aufmerksamkeit erhalten, als es ihre Anzahl verdient. Trotz aller Konfrontation und Kämpfe, so haben doch alle Gewalttäter eins gemeinsam: sie begründen ihr Verhalten in der uneingeschränkten Liebe zu ihrem Verein. Und genau das ist der große Irrglaube, die Verlogenheit dieser Personen.

Dass die Randalierer durch ihr Verhalten andere Stadionbesucher gefährden, ist das eigentliche Übel ihrer Taten. Doch dies auch noch hinter dem Feigenblatt des Vereinswappens zu tun, ist ein zusätzlicher Frevel und zeigt ihre Feigheit. Denn es fällt nicht schwer zu erkennen, dass sie selber gar kein großes Interesse am Spiel, am Fußball und erst recht nicht am Wohl ihrer Mannschaft haben. Für sie ist Fußball nur Mittel zum Zweck, um ihrer Aggression freien Lauf zu lassen und drauf los zu prügeln. Drei Beispiele als Beleg:

  • Viele der Krawallos haben ohnehin schon Stadionverbot und suchen die Konfrontation abseits der Bundesligaspiele (wie eben jetzt geschehen beim Hamburger Hallenturnier oder aber vor den Stadien). Hätten sie ein echtes Interesse an den Spielen “ihrer” Mannschaft, würden sie doch versuchen, sich so wenig wie möglich zu schulden kommen zu lassen, um möglichst eine vorzeitige Aufhebung ihres Stadionverbots zu erwirken. Doch augenscheinlich haben viele kein Interesse daran, ihr Team durch echte Anfeuerung lautstark zu unterstützen und zum Sieg zu singen.
  • Jedem, aber auch wirklich jedem Täter, der ein Bengalisches Feuer zündet oder sonstige verbotenen Aktionen im Stadion startet, ist im Vorfeld klar, dass sein Verein dafür vom Verband zur Kasse gebeten wird. Oder aber noch drakonischere Strafen drohen, wie ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen zu müssen (zuletzt bei Hansa Rostock geschehen) oder gar der Ausschluss aus einem Wettbewerb (wie Dynamo Dresden in der DFB-Pokalsaison 2012/2013 droht). Somit schadet jeder Krawallmacher vorsätzlich seinem Team.
  • Betrachtet man die Auswirkungen auf den Fußball allgemein, so werden bei weiter zunehmender Gewalt immer mehr echte Fans auf ihren Stadionbesuch verzichten und dem Spiel fernbleiben. Alles aus Selbstschutz und Angst unverschuldet involviert zu werden. Im schlimmsten Fall drohen der Bundesliga Verhältnisse wie in Italien, wo die Mannschaften vor halb leeren Rängen spielen, der Zuschauerschnitt auf den niedrigsten seit Jahrzehnten gesunken und die Atmosphäre in den Stadien nur noch ein Schatten früherer goldener Zeiten ist, als die Serie A für alle Profifußballer als das gelobte Land galt. Dies kann kein echter Fußballfan wollen.

Doch wie soll man auf diese Entwicklung reagieren? Die Verantwortlichen von DFB, DFL und Vereinen wirken hilflos. Während die Vereine ihre Machtlosigkeit über das Aussprechen von Stadionverboten hinaus beklagen, so ist der Deutsche Fußballverband immer noch auf beiden Augen blind und zeigt kein Problembewusstsein. Oder wie ist es anders zu erklären, dass Theo Zwanziger seinen angekündigten Rücktritt mit der Aussagen begründete, er sehe für sich in seiner Position keine Herausforderungen mehr im Deutschen Fußball, denen er sich widmen könnte?

“Ich sehe in Deutschland für mich persönlich ehrlich gesagt keine große Herausforderung mehr. (…) Ich denke, der DFB ist in allen Bereichen für die Zukunft bestens aufgestellt.” (DFB-Präsdient Theo Zwanziger)

Eine Patentlösung können wir auch nicht anbieten. Am erfolgswahrscheinlichsten scheint das Engagement aller Betroffenen zu sein, also auch derer, die als “normale” Fans ins Stadion gehen. Sie müssen klar Stellung beziehen und jede Krawallaktion missbilligend an den Pranger stellen. Sei es durch direkte Ansprache von Randallierern, das Anzeigen dieser oder aber nur durch lautes Pfeifen. Klar, dass dies einem Familienvater, der mit seinen beiden Söhnen im Stadion ist, schwerer fällt als der Clique 30-Jähriger, die schon seit 20 Jahren zusammen ins Stadion gehen. Dennoch: Nur der gesellschaftliche Druck kann den Gewalttätern Einhalt gebieten. Dass so etwas vereinzelt schon geschieht, zeigten Fans von Hannover 96 bei ihrem Auswärtsspiel in der Europa League gegen den FC Kopenhagen. Als ein Idiot ein Bengalo aus dem Oberrang auf das Spielfeld warf und dabei nur knapp die Zuschauer auf dem Unterrang verfehlte, zögerten einige Fans nicht lange und meldeten ihn bei der dänischem Polizei. Diese nahm den Chaot noch während des Spiels fest.

Sollte das mit dem gemeinschaftlichen Fanengagement nicht funktionieren, hätten wir noch einen alternativen Tipp: an den Stadioneingängen nicht auf mitgebrachte Waffen kontrollieren, sondern auf eingeschaltetes Hirn. So hätten Möchtegernkrawallmacher keine Chance auf Zutritt.